Tibet-Encyclopaedia

 Der Astronom Döndrub Öser

Tshurphu-Schule (mtshur-lugs) der Tibetischen Astronomie

Die Tshurpu-Schule (mtshur-lugs), benannt nach dem Kloster Tshurphu (mTshur-phu) , war eine der bedeutensten Schulen der Astronomie in Tibet. Ihre eigentliche Gründung erfolgte im 15. Jahrhundert durch den Astronomen Tshurphu Jamyang Chenpo Döndrub Öser (mTshur-phu 'jam-dbyangs chen-po Don-grub 'od-zer). Wie bei der  Phugpa-Schule war es ihr Hauptanliegen, die wahre von Buddha gelehrte Astronomie zu rekonstruieren. Die Tshurphu-Schule veröffentlichte bis 1960 einen eigenen tibetischen Kalender, der sich vom regierungsoffiziellen Kalender der Phugpa-Schule erheblich unterschied.

Die Gelehrten der Phugpa-Schule waren nicht die einzigen Astronomen, die sich um eine Neugestaltung der tibetischen Astronomie bemühten. Insgesamt sollen nach tibetischen Quellen von unterschiedlichen Gelehrten mehr als sechs verschiedene Lösungsvorschläge zur Berechnung der Länge der Weltzeitalter (große Konjunktion aller Planeten am Nullpunkt der Ekliptik) vorgelegt worden sein. Die zugehörigen Werke gelten bis auf eine Gruppe, nämlich die Schriften der Tradition der Tshurphu-Schule, als verloren gegangen.Die Tshurphu-Schule der tibetischen Astronomie wurde nach dem berühmten Karmapa-Kloster Tshurphu (mTshur-phu) benannt. Als Begründer dieser Schule wird der 3. Karmpa Rangjung Dorje (Rang-byung rdo-rje)  (1284–1339), angesehen. Eine mit der Entstehung der Phugpa-Schule vergleichbare Entwicklung dieser Lehrtradition begann aber erst im 15. Jahrhundert.

Das Kloster Tshurphu

 

Zu erwähnen ist hier der Gelehrte Tshurphu Jamyang Chenpo Döndrub Öser (mTshur-phu 'Jam-dbyangs chen-po Don-grub 'od-zer), der zur Lebenszeit des 5. Karmapa Deshin Shegpa (De-bzhin gshegs-pa) um 1407 zum Abt des Klosters Tshurphu ernannt wurde und der dieses Amt bis 1449 innehatte. 1447, im Jahr der Fertigstellung des Padma dkar-po'i zhal lung durch Phugpa Lhündrub Gyatsho (Phug-pa Lhun-grub rgya-mtsho), vollendete Döndrub Öser sein Grundwerk über Astronomie, mit dem er die ursprünglichen Kalkulationen des Wurzel-Tantra zum Rad der Zeit darstellte. Diese Abhandlung ist leider bis heute noch nicht aufgetaucht.

Einen Überblick über die Besonderheiten der Astronomie der Tshurphu-Schule liefert ein 1732 von Karma Ngeleg Tendzin (karma Nges-legs bstan-'dzin) vorgelegtes Standardwerk dieser Schule, das Ngeleg Tendzin im großen osttibetischen Kloster Pelpung Thubten Chökhor Ling (dPal-spungs Thub-bstan chos-´khor gling) verfasste. Bezüglich der Theorie der mittleren Bewegung der Himmelkörper und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen ergibt sich kein wesentlicher Unterschied zur Phugpa-Schule. Allerdings ging Ngeleg Tendzin bei der Berechnung der großen Konjunktion von anderen Werten aus. Dies hat zur Folge, dass alle Anfangswerte seiner astronomischen Rechnungen sich von denen der Phugpa-Schule unterschieden. Entsprechend unterscheidet sich auch der Kalender dieser Schule von dem der Phugpa-Schule erheblich.

Literatur

Dieter Schuh: Untersuchungen zur Geschichte der Tibetischen Kalenderrechnung. Wiesbaden 1973  

Autor: Dieter Schuh, 2010  Bildnachweis: Wikimedia Commons, McKay Savage   http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tibet_-_Tsurpu_Monastery_1.jpg?uselang=de