Tibet-Encyclopaedia

 

Shigar Nāma, eine Verschronik aus Baltistan (Klein-Tibet)

Das Shigar Nāma ist eine in persischer Sprache geschriebene Verschronik über die Geschichte Baltistans nach 1636 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Im Zentrum der Darstellungen stehen die Ereignisse im Leben des Imam Quli Khan, eines Herrschers von Shigar in Baltistan, der im 17. Jahrhundert regierte. Der Autor dieser Chronik ist nicht bekannt. Das Shigar Nāma enthält für die geschilderten Ereignisse keine Zeitangaben, so dass man für die zeitliche Einordnung der dargestellten Geschehnisse auf weitere Quellen zurückgreifen muss. Gleichwohl ist die Schilderung von Ereignissen im Shigar Nāma, sieht man von poetischen Übertreibungen und Ungenauigkeiten ab, historisch als zuverlässig einzustufen, so dass diese Verschronik die wichtigste Quelle zur Geschichte Baltistans im 17. Jahrhundert darstellt.

Inhaltsverzeichnis

1. Forschungsgeschichte
2. Zeitliche Einordnung der geschilderten Ereignisse
3. Der Inhalt des Shigar Nāma
4. Literatur

1. Forschungsgeschichte

Im Jahre 1939 erschien in Lucknow unter dem Titel Tarikh-i-Jammu eine in Urdu geschriebene Darstellung der Geschichte Baltistans. Der Autor war Hashmatullah Khan, der lange Jahre als Administrator (Wazir-i-Wazarat) von Baltistan und Ladakh für die Verwaltung des Mahāraja von Jammu und Kashmir gearbeitet hatte. Eine der wichtigsten Quellen dieses Buches war eine persische Handschrift, die Hashmatullah Khan im Shigar-Tal entdeckt hatte und die mit dem Titel Shigar Namah zitiert wird. Eine sogenannte Research-Translation des Tarikh-i-Jammu ins Englische wurde 1987 mit dem Titel „History of Baltistan“ von Lok Virsa in Islamabad veröffentlicht. Hashmatullah Khan hatte die von ihm benutzte Handschrift des Shigar Nāma von Murad Khan, einem der Angehörigen der Herrscherfamilie von Shigar, geliehen.

Große Passagen in Hashmatullahs Geschichte von Baltistan sind bloße Inhaltswiedergaben des Shigar Nāma, so dass man anhand dieser Inhaltsangaben einen gewissen Einblick in das Shigar Nāma gewinnen kann. Die Inhaltsangaben von Hashmatullah Khan wurden wiederum zur Darstellung einer Geschichte Baltistans von Banat Gul Afridi in seinem 1988 erschienen Buch „Baltistan in History“ benutzt.

1981 konnte der Bonner Mongolist und Tibetologe Klaus Sagaster in Shigar bei Wesir Ahmad die von Hashmatullah Khan benutzte Handschrift des Shigar Nāma einsehen und photographieren. 1983 fertigte Wezir Ahmad eine Abschrift von der Handschrift an und verkaufte diese mit einem von ihm in Urdu geschriebenen Kommentar an das von Sagaster geleitete Zentralasiatische Seminar der Universität Bonn.

Zu einer Bearbeitung des Shigar Nāma kam es danach durch den persischen Gelehrten Koshrow Behrouz, der zunächst die von Sagaster angefertigte Fotokopie und einen Mikrofilm für seine Forschungsarbeiten benutzte. Im Laufe seiner Tätigkeit ermittelte Behrouz weitere Abschriften des Shigar Nāma, die er in der Einleitung zu seiner deutschen Übersetzung und Edition des persischen Textes ausführlich beschreibt. Leider wurde die vorzügliche Arbeit von Behrouz niemals publiziert. Mir liegt nur eine Photokopie des Einleitungsteils und der von Behrouz angefertigten Übersetzung (ohne die Anmerkungen) vor, die mir Roland Bielmeier (Bern) freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Die von Behrouz für seine Forschungsarbeiten benutzten Handschriften enthalten alle nur einen unvollständigen Text des Shigar Nāma. Teile des Anfangs und das Ende dieser Verschronik sind nicht mehr vorhanden. Ein Autor wird im Text nicht genannt. Zur Entstehungszeit ist nur festzustellen, dass diese Verschronik vermutlich noch zu Lebzeiten des Herrschers Imam Quli Khan (17. Jahrhundert) verfasst wurde. Jedenfalls wird der Tod von Imam Quli Qan in dem vorhandenen Text nicht behandelt. Der Autor selbst war offenkundig selbst nicht Zeitzeuge der geschilderten Ereignisse. Er bezieht sich in der Regel auf einen Erzähler, der ihm die Ereignisse geschildert hat.

2. Zeitliche Einordnung der geschilderten Ereignisse

Die in der von Behrouz übersetzten Version des Shigar Nāma geschilderten Ereignisse beginnen mit dem Vorrücken der von Amir, Ahmad Mir und Mirza Khan angeführten Truppen des Imam Quli Khan gegen Shigar, das zu dieser Zeit von Murad Khan (Shah Murad) beherrscht wurde (Behrouz, S. 82f). Murad Khan zog sich daraufhin kampflos nach Rondu zurück und Imam Quli Khan wurde als Herrscher von Shigar inthronisiert. Diesem Ereignis war das Folgende vorausgegangen:
Im Jahre 1636 hatte der indische Moghul-Kaiser Shah Jahan (1627-1658) dem Vorschlag Zafar Khans, des Gouverneurs von Kaschmir, zugestimmt, eine Armee nach Baltistan zu schicken. Die siegreichen Truppen aus Kaschmir nahmen den König Abdal Khan von Skardu gefangen und setzten zunächst Muhammad Murad, eben jenen Murad Khan, als neuen Herrscher ein (Láhorí, S. 62f). Diese Entscheidung wurde später von Shah Jahan revidiert und Adam Khan, ein Bruder des abgesetzten Abdal Khan, als Herrscher von Baltistan bestimmt, wobei Adam Khan nunmehr in Kaschmir residieren musste. Dies führte unmittelbar zu den eingangs geschilderten kriegerischen Ereignissen und zur Entfernung Murad Khans aus Shigar, die somit nach 1636 stattgefunden haben müssen (siehe auch Behrouz, S. 76-81).

Die nächsten datierbaren, im Shigar Nāma geschilderten Ereignisse (Behrouz, S. 88-100) fallen in das Jahr 1650/51. Adam Khan und Murad Khan rücken mit einer großen Armee gegen Skardu vor, um den abtrünnigen Stadthalter Mirza Khan abzusetzen. Dieser Feldzug gegen Mirza Khan wird in dem Sháh Jahán-náma des Ináyat Khán für das 25. Jahr der Regierungszeit des Moghul-Kaisers Shah Jahan, also für das Jahr 1650/51 beschrieben. Hier wird auch die im Shigar Nāma beschriebene Einsetzung von Murad Khan als Herrscher über Skardu bestätigt. Murad Khan residierte von 1650/51 an in Baltistan, während Adam Khan wieder nach Kashmir zurückkehrte.

Für ein weiteres Ereignis, nämlich den Tod von Adam Khan, über den im Shigar Nāma ausführlich berichtet wird (Behrouz, S. 115f), findet sich in den indischen Quellen zwar kein Hinweis, es ist aber möglich aufgrund von Angaben im Shigar Nāma selbst hier einen Terminus ante quem zu ermitteln. Nach dem Shigar Nāma (Behrouz, S. 116) wurde Murad Khan nach dem Tod seines Onkels vom Kaiser Shah Jahan als Nachfolger bestätigt. Dies bedeutet, dass Adam Khan vor 1658, dem Jahr der Absetzung von Shah Jahan, verstorben ist.

Der Franzose François Bernier (1625-1688), der 1663 im Gefolge des Moghul-Kaisers Aurangzeb (1658-1707) nach Kaschmir reiste, traf dort den Herrscher von Baltistan, der dem angekommenen Kaiser Aurangzeb seine Aufwartung machen wollte. Bernier erzählt, dass dieser kleine König nach der Eroberung von Baltistan durch die kaiserlichen Truppen des Moghul-Kaisers Shah Jahan vom Gouverneur von Kaschmir als Herrscher von Klein-Tibet eingesetzt worden war (Bernier, S. 163). Die Geschichte stimmt tatsächlich, war doch Murad Khan zunächst vom Gouverneur Zafar Khan für den entmachteten Abdal Khan 1636 als dessen Nachfolger eingesetzt worden (Láhorí, S. 62f). Allerdings wurde er kurz danach auf Befehl von Kaiser Shah Jahan durch seinen Onkel Adam Khan ersetzt. Nachfolger von Adam Khan und damit Herrscher von Baltistan wurde er erst nach dessen Tod. Jedenfalls belegt der Bericht Berniers, dass Murad Khan im Jahre 1663 noch lebte.

Am 9. Dezember 1665 erfuhr der Kaiser Aurangzeb, dass der König von Ladakh die Unterwerfung seines Landes unter die Moghul-Vorherrschaft akzeptiert hatte. Vorausgegangen war eine Mission von Muhammad Shafi (auch Saif Khan genannt), der im Jahre 1665 als kaiserlicher Gesandter nach Ladakh entsandt worden war (siehe auch Petech, S. 64f). Murad Khan, der als Zamindar von Klein-Tibet erwähnt wird, erhielt für seine Unterstützung dieser Mission vom Kaiser als Geschenk ein Ehrengewand ( Sāqi Must´ad Khan, S. 34). Im Dezember 1667 erreichte Aurangzeb vom Zamindar von Klein-Tibet Murad Khan die Nachricht, dass der Herrscher von Kashgar von seinem Sohn Bulbar Khan abgesetzt worden sei und Zuflucht beim Kaiser von Indien suche (Sāqi Must´ad Khan, S. 42). Dies bedeutet, dass Murad Khan im Jahre 1667 noch in Skardu regierte.

Das Shigar Nāma berichtet auch vom Tod des Murad Khan, ohne dazu eine Zeitabgabe zu machen (Behrouz, S. 129). Somit stellte sich die Frage, ob hierzu wenigstens ein Terminus ante quem zu ermitteln ist. Ein solcher ist auch mit Hilfe von Quellen aus Ladakh zu ermitteln. Als natürlicher Nachfolger des Verstorbenen kam Murad Khans Sohn Muhammad Rafi in Frage, der aber noch nicht volljährig war. Deshalb hatte Murad Khan angeordnet, dass sein Bruder Ali Shah bis zur Volljährigkeit seines Sohnes in Skardu regieren sollte. Ali Shah fühlte sich dieser Verantwortung nicht gewachsen und schlug seinem in Kartaksho residierenden Bruder Sher Khan vor, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, was dieser dann auch tat. Sher Khan zettelte daraufhin einen Krieg gegen Shigar an. Von den anschließenden kriegerischen Ereignissen waren alle Teile von Baltistan betroffen. Khaplu, das noch unter Murad Khan von Skardu erobert worden war, fiel nun für einige Zeit an Shigar. Die anschließende durch Heirat begründete Allianz zwischen Sher Khan und dem König von Ladakh steht im Zusammenhang mit der Eroberung von Khaplu und Purik durch ladakhische Truppen im Jahre 1674, in deren Verlauf nunmehr Hatam Khan und Yakub als Herrscher in Khaplu und im Hushe-Tal eingesetzt wurden (Petech, S. 67, Francke, S. 114). Damit ist 1674 als ein Jahr genannt, indem Murad Khan schon seit einiger Zeit verstorben war und Sher Khan die Macht übernommen hatte.

Als weiteres zeitlich fixierbares Ereignis ist die militärische Intervention von Truppen aus Kaschmir in Purik unter Führung des Gouverneurs von Kaschmir Ibrahim Khan zu nennen, die sowohl in Quellen aus Ladakh als auch im Shigar Nāma erwähnt wird. Diese Reaktion auf die ladakhischen Erorberungen des Jahres 1674 kann nur, wie Petech (S. 68) zu Recht festgestellt hat, während der zweiten Amtszeit von Ibrahim Khan (1678-1685) stattgefunden haben, wobei angesichts des wenig später ausbrechenden Krieges zwischen Ladakh und Tibet nur der Zeitraum der Jahre 1678-1679 in Frage kommt.

Der vorhandene Teil des Shigar Nāma endet mit dem offenbar endgültigen Rückzug von Sher Khan nach Kartaksho und seinem Gang ins Exil nach Purik. Aus den Jahre 1698 liegt uns eine Urkunde vor, die über einen ladakhischen Feldzug gegen Shigar berichtet (Schuh, S. 268f). Dieses Ereignis spielt im Shigar Nāma keine Rolle mehr. Dies bedeutet, dass die Ereignisse, über die im Shigar Nāma berichtet wird, alle vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben.

3. Der Inhalt des Shigar Nāma

Anmerkungen und Erläuterungen zur nachfolgenden Zusammenfassung des Shigar Nāma werden in kursiver Schrift in eckigen Klammern angegeben. Die Seitenzahlen von Behrouz´s Übersetzung werden in runden Klammern angegeben. Hinweise auf die Herkunft bestimmter Person werden ebenfalls kursiv in eckigen Klammern aufgeführt. Eine große Zahl von Personenbezeichnungen können nicht zugeordnet werden.

[1636: Truppen des Moghul Kaisers unter Führung des Gouverneurs von Kaschmir erobern Baltistan. Murad Khan alias Muhammad Murad (Ein Enkel von Ali Sher Khan), wird als lokaler Herrscher von Baltistan eingesetzt. Der Moghul-Kaiser Shah Jahan bestätigt diese Ernennung nicht und setzt Adam Khan, einen Onkel von Murad Khan, der auch ein Sohn des Ali Sher Khan ist, als Herrscher ein.]

Abbildung 1: Orientierungskarte zu Baltistan. Ausschnitt aus einer größeren Landkarte von Baltistan, die auch Gilgit und Hunza einschließt, ausgestellt im Büro des Hotels Shigar Fort Residence in Shigar. Nach den Angaben der Hotelleitung wurde die Karte vom Aga Khan Cultural Service-Pakistan erstellt. Die Karte verzeichnet auch die vorhandenen Baudenkmäler der verschiedenen Orte

 [nach 1636, vor 1650] (80-85) Der Adel von Baltistan unter Führung von Imam Quli Khan versammelt ein Heer, um Murad Khan abzusetzen und rückt gegen Shigar vor, wo sich Murad Khan aufhält. Die Truppen werden geführt von Amir [einer der beiden Söhne des Herrschers von Kiris], Ahmad Mir [vermutlich der Herrscher von Kiris], Mirza Khan [Herrscher von Kartaksho und späterer Statthalter von Adam Khan in Skardu] und Sayid Khan [?]. Bevor es zur Schlacht kommt, wenden sich die Murad Khan unterstellten Truppen und die Bewohner von Shigar von Murad Khan ab, so dass er nach Rondu fliehen muss. Zuvor plündert er das Eigentum von Hasan Khan [Ehemaliger Herrscher von Shigar, Vater oder Vorgänger von Imam Quli Khan].
Imam Quli Khan wird als Herrscher von Shigar inthronisiert. Amir Khan [aus Kiris] wird zum Wesir von Imam Quli Khan ernannt. Hasan Mir [?] wird mit Geschenken belohnt.

Murad Khan und seine Anhänger hielten sich in Rondu ein bis zwei Jahre auf. Danach verließ Murad Khan Rondu, um zum Kaiserhof des Moghul Kaisers Shah Jahan zu reisen. Die Verwaltung von Rondu vertraute er [seinen Brüdern] Ali Shah und Sher Shah [Sher Khan] an. Letzterer wird in Rondu sein Stellvertreter.

Murad Khan gelangt zum Hof des Kaisers Shah Jahan. Adam Khan war Gouverneur von Baltistan mit Wohnsitz in Kashmir. Mirza Khan [aus Karaksho] war von Adam Khan als Administrator von Skardu eingesetzt worden. Zehn Jahre regierte er dort loyal zu Adam Khan, bis er abtrünnig wurde. Er blockierte die Verbindung zwischen Baltistan und Kashmir.

[1650/51] (86-100) Der Kaiser Shah Jahan wollte nach der Anreise von Murad Khan eigentlich die Macht in Baltistan an diesen jungen Mann übertragen. Die Berater des Kaisers bewirken allerdings, dass dieser anordnet, dass Murad Khan die Tochter seines Onkels Adam Khan heiratet. Adam Khan verbleibt in seiner Position. Adam Khan zieht in Begleitung von Murad Khan mit einem kaiserlichen Heer gegen Skardu, um Mirza Khan abzusetzen. [Dies ist die in indischen Quellen beschriebene Intervention des Jahres 1650/51].

Als Adam Khan mit seinen Truppen gegen Skardu vorrückt, schreibt er einen Brief an Imam Quli Khan, in dem er diesen auffordert, Truppenhilfe zu leisten. Imam Quli Khan war ebenfalls mit einer Tochter von Adam Khan verheiratet. Adam Khan kündigt an, er werde Murad Khan die Herrschaft über Skardu, Rondu und Kartaksho übertragen. Imam Quli Khan beantwortet dieses Schreiben und versichert Adam Khan seine Loyalität. Imam Quli Khan bewirkt, dass Mirza Khan unter Zusicherung eines freien Geleits die Festung von Skardu kampflos räumt. Mirza Khan begibt sich zunächst nach Shigar und anschließend nach Khaplu. Wenig später tritt er als Herrscher von Kartaksho in Erscheinung.

Um Murad Khan die Herrschaft von Skardu übergegeben zu können, lässt Adam Khan diesen auf den Koran schwören, dass er sich zukünftig treu gegenüber Adam Khan verhalten werde. Die Burg von Skardu wird daraufhin zunächst an Alim Baik und Muhammad Safi, die beide als Gesandte des Moghul Kaisers Shah Jahan mit der Armee nach Baltistan eingerückt waren, übergeben. Die Vertreter des Kaisers übertragen die Verfügungsgewalt über die Festung an Adam Khan, der sie daraufhin an Murad Khan übereignet.

Adam Khan kehrt nach Kaschmir zurück und begibt sich anschließend an den Kaiserhof von Shah Jahan, wo ihm für seine Verdienste ein Pferd und ein Ehrengewand übereicht werden.

[nach 1650/51, vor 1658] (100-108) Murad Khan plant einen Angriff gegen Kartaksho, um den in Kharmang residierenden Mirza Khan abzusetzen. Er fragt in dieser Angelegenheit Adam Khan um Rat, doch dieser verweist ihn an Imam Quli Khan. Letzterer unterstützt die Pläne Murad Khans und zieht mit ihm gegen Kartaksho in den Krieg. Zunächst belagern sie die Festung von Parkuta, die sie nach kurzer Zeit erobern und Ali Khan, den Sohn von Mirza Khan, gefangen nehmen. Die Festung von Parkuta wird zerstört.

Beim weiteren Vorrücken gegen Kharmang erweist sich die dortige Festung als militärisch uneinnehmbar. Um die Burg aushungern zu können, lassen die Angreifer das gesamte Land Kartaksho plündern und konfiszieren alle Nahrungsvorräte und Haustiere, sowie Gold und Schmuck. Die Versorgung der Belagerer ist damit sichergestellt. Nach vier Monaten gibt der von allem Nachschub abgeschnittene Mirza Khan auf und übergibt seine Festung nach der Zusicherung von freiem Geleit an die Belagerer. Mirza Khan geht nach Schwarz-Tibet [Ladakh] ins Exil. Murad Khan überträgt die Herrschaft über Kartaksho an seinen Bruder Sher Khan. Ali Khan, dem Sohn von Mirza Khan, gelingt es, aus der Gefangenschaft zu fliehen und in Khaplu Zuflucht zu nehmen.

[Mit dem nachfolgenden Feldzug gegen Khaplu kam Murad Khan seinem offenkundigen Ziel, den Herrschaftsbereich seines Großvaters Ali Sher Khan wiederherzustellen, einen großen Schritt näher. Sonstige Anlässe für diesen Feldzug gab es genug. Einerseits war Ali Khan nach seiner Gefangennahme in Parkuta nach Khaplu geflohen und hatte dort Zuflucht gefunden. Anderseits war Mirza Khan von Ladakh aus dorthin zurückgekehrt. Der wichtigste Anlass war die schlechte Behandlung von Murad Khans und Sher Khans Schwester und ihrer Söhne Babur und Yakub. Diese Schwester war mit Husain Khan, dem Herrscher von Khaplu, verheiratet. Als dieser starb, übernahm sein Bruder Rahim Khan die Macht in Khaplu und behandelte die Frau seines Bruders und deren Söhne so schlecht, dass diese nach Ladakh ins Exil gehen mussten. Als Murad Khan gegen Khaplu vorrückte, herrschte Rahim Khan in Khaplu.]

[nach 1650/51, vor 1658] (108-112) Die vereinigten Truppen von Skardu und Shigar rücken auf dem traditionellen Reiseweg entlang der rechten Seite des Shayok gegen Khaplu vor. Ein erster Widerstand ergibt sich in Kharku [ein Ort, der unmittelbar östlich an Daghoni angrenzt. Nordwestlich von Khaplu. Auf Abbildung 1 als Kharko verzeichnet.]. Die Festung von Kharku wird nach einiger Zeit der Belagerung erobert und die dort gelagerten Vorräte werden konfisziert. Nächstes Angriffsziel ist das im Hushe Tal gelegene Haldi [Huldi, Saling wird nicht erwähnt. Auf Abbildung 1 als Haldi nördlich von Khaplu verzeichnet.], wo man die dortige Burg erobert und zerstört. Gold, Pferde und Vorräte werden erbeutet. Nächstes militärisches Ziel ist die Einnahme der Ortschaft (Burg) Sarfah Khar. Von hier aus schreibt Murad Khan einen Drohbrief an Rahim Khan, der sich in die Bergfestung Thortsi Khar [Siehe Wohnburgen (Khar) und Bergfestungen (Khardong) in Baltistan, 5.1. Thortsi Khar]  zurückgezogen hat. Rahim Khans Antwort kündigte Murad Khan erbitterten Widerstand an. Nach einer drei Monate dauernden Belagerung müssen Rahim Khan und seine Krieger wegen Mangel an Wasser und Nahrung kapitulieren. Murad Khan verspricht dem unterlegenen Herrscher von Khaplu freies Geleit. Nach der Übergabe von Thortsi Khar bricht Murad Khan sein Versprechen und läßt Rahim Khan ermorden. Mirza Khan aus Kartaksho wird nach Indien deportiert und dort eingekerkert.

[nach 1650/51, vor 1658] (112-114) Die Darstellung der nächsten Ereignisse beginnt mit der Aussage von Murad Khan, dass Purik zu seinem Machtbereich gehört und er den Vorschlag macht, nun auch Kharbu zu erobern, um die dort lebenden Buddhisten zum Islam zu bekehren. Seine Heerführer erkären ihm, dass dieses Unternehmen nur mit Unterstützung von Imam Quli Khan durchgeführt werden kann.

[Purik und Unterladakh (La-dvags gsham) grenzen südlich an Baltistan an. Die Bewohner von Purik mit dem Hauptort Kargil (Abbildung 2 Dkar-skyil) waren schon in 17. Jahrhundert zum Islam bekehrt. Zur Lage siehe die folgenden Übersichtskarten]

   

Abbildung 2: Westteil von Purik nach Francke, S. 148

 

Abbildung 3: Teile von Purik und Unterladakh mit Kharbu (Mkhar-bu, rot unterstrichen) nach Francke, S. 148

 Imam Quli Khan schickt Truppen unter Führung von Amir Khan [, seinem Wezir und  Herrscher von Kiris], um Murad Khan bei seinem Feldzug zu unterstützen. In Kharbu angekommen gewinnen die Soldaten aus Baltistan die Schlacht, besetzen die Festung von Kharbu und nehmen 900 gegnerische Soldaten gefangen. Um die Gefangenen frei zu kaufen, bietet der ladakhische Feldherr [sein Name wird nicht genannt] die Schwester von Murad Khan und ihre Söhne Yakub und Babur, die aus Khaplu vertrieben worden waren und sich nun in seiner Gewalt befanden, zum Tausch gegen die 900 Gefangenen an. Murad Khan stimmt dem Austausch zu, lässt die 900 Gefangenen frei und kehrt anschließend mit seiner Schwester und seinen beiden Neffen nach Skardu zurück.

[nach 1650/51, vor 1658] (115-117) Murad Khan überträgt seinen beiden Neffen Yakub und Babur die Herrschaft über Khaplu. Ihn erreicht die Nachricht, dass Adam Khan verstorben ist. Murad Khan verläßt mit einem Gefolge Skardu und reist nach Indien an den Hof des Moghul-Kaisers Shah Jahan (1627-1658). Shah Jahan weist ihm das Amt von Adam Khan zu. Zu diesem Amt gehört auch die Verfügung über ein Landgut (Jagir) in Kaschmir, welches Murad Khan auf seiner Rückreise nach Skardu besucht. In den folgenden zwei, drei Jahren finden keine weiteren militärischen Aktivitäten statt. Murad Khan verheirate seine Tochter mit einem Sohn von Habib Khan, des Raja von Gilgit.

[nach 1650/51, vor 1658] (117-121) Ein Sohn von Habib Khan, des Königs von Gilgit, rebelliert gegen seinen Vater und schließt eine Beistandsvereinbarung mit Shah Rais, dem Herrscher von Chilas. Habib Khan wendet sich an den Herrscher von Skardu Murad Khan mit der Bitte, Truppen zu senden. Eine Armee mit Kriegern aus Skardu und Shigar unter Führung von Imam Quli Khan rückt nach Gilgit vor, wo Habib Khan sie empfängt und ihnen den Weg weist. Die Krieger aus Baltistan rücken bis Numal [Als Nomal auf diversen Karten verzeichnet. Nördlich von Gilgit (Abbildung 4) am Hunza-Fluss gelegen] vor. Es kommt zur Schlacht mit den Truppen des aufrührerischen Sohnes, die keine Entscheidung bringt. Anschließend erfolgt die Belagerung der Festung des Aufrührers, was letztendlich dazu führt, dass die Belagerten wegen Mangels an Wasser und Nahrung aufgeben müssen. Unter einer beeideten Zusicherung von Seiten Imam Quli Khans und Murad Khans, dass ihm kein Leid zugefügt wird, gibt der Sohn von Habib Khan auf und übergibt den Belagerern die Festung. Nach Skardu zurückgekehrt bricht Murad Khan seinen Schwur und kerkert den Sohn von Habib Khan ein. Dies führt zu einer Entzweiung zwischen Murad Khan und Imam Quli Khan, der über den Eidesbruch empört ist.

Abbildung 4: Übersichtskarte von Skardu und den angrenzenden westlichen Ländern wie Astor, Chilas und Gilgit. Hunza und Nagar (Brushal) liegt nordöstlich von Gilgit und nördlich der eingezeichneten Rakaposhi Range. Ausschnitt aus einer größeren Landkarte von Baltistan, die auch Gilgit und Hunza einschließt, ausgestellt im Büro des Hotels Shigar Fort Residence in Shigar. Nach den Angaben der Hotelleitung wurde die Karte vom Aga Khan Cultural Service-Pakistan erstellt.

 [nach 1650/51, vor 1658] 121-122) Nach einigen Jahren der Ruhe erreicht Murad Khan die Nachricht, dass sein in Gilgit lebender Schwiegersohn von Aki Khan mit einem Speer durchbohrt und anschließend geköpft wurde. Murad Khan fordert Imam Quli Khan von Shigar auf, am Feldzug gegen Gilgit teilzunehmen. Imam Quli Khan weigert sich, am Feldzug persönlich teilzunehmen und schickt Amir Khan [aus Kiris] mit Kriegern als Unterstützung. Amir Khan, Sher Khan [Bruder von Murad Khan und Herrscher von Kartaksho] und Murad Khan rücken gegen Gilgit vor und nehmen Aki Khan, der sich in einer Höhle versteckt hat, gefangen. Murad Khan setzt einen seiner Kriegsführer als Administrator von Gilgit ein und kehrt nach Skardu zurück.

[nach 1650/51, vor 1658] (122-124) Kaum ist Murad Khan nach Skardu zurückgekehrt, kommt es in Gilgit unter Führung von Jalis Khan, Haritam und Bhutah zu einem Aufstand gegen seine Vorherrschaft. Wieder fordert Murad Khan den Herrscher von Shigar Imam Quli Khan auf, persönlich mit einem Heer gegen Gilgit vorzurücken. Imam Quli Khan weigerte sich erneut, an diesem Feldzug teilzunehmen und schickt wiederum Amir Khan [aus Kiris] mit Truppen. Für seine Nichtteilnahme gab Imam Quli Khan an, dass die Schwester des Gouverneurs von Kaschgar mit großem Gefolge und mit einem Begleitschreiben des Kaisers [Shah Jahan] sein Land durchreise und er wegen der dabei erforderlichen Hilfestellung in Shigar unabkömmlich sei. Murad Khan rückt wieder in Gilgit ein, woraufhin seine Widersacher Jalis Khan und Bhutah sich in ein Nachbarland [Azuwar ?] absetzen. Als Murad Khan nach Skardu zurückgekehrt war, tauchen Jalis Khan und Bhutah wieder in Gilgit auf und entreißen ihm ein erneutes Mal die Vorherrschaft über dieses Land.

[Die nachfolgenden Darlegungen im Shigar Nāma betreffen den Versuch von Murad Khan, nach der Rückkehr von seinem letzten Feldzug gegen Gilgit die Herrschaft über Shigar an sich zu reißen. Dabei fanden keine Kriegshandlungen statt. Das Shigar Nāma beschreibt einen Briefwechsel zwischen Murad Khan und Imam Quli Khan, die Einschaltung des dem Moghul-Kaiser Shah Jahan unterstellten Gouverneurs von Kashmir Saif Khan in diesen Konflikt und Briefwechsel und Äußerungen zwischen diesem und den beiden Herrschern von Teilen Baltistans. Man muss davon ausgehen, dass die hier erwähnten Schreiben dem Dichter des Shigar Nāma natürlich nicht vorgelegen haben und sie deshalb, wie Dialoge in dieser Versdichtung, reine dichterische Ausdrucksformen sind. Interessant sind aber die Behauptung bestimmter Fakten in diesem Schriftverkehr, die hier aus der Erinnerung des Erzählers wiedergegeben werden.]

[nach 1650/51, vor 1658] (124-129) Murad Khan beschwert sich in einem Schreiben an Imam Quli Khan darüber, dass dieser ihn auf dem letzten Feldzug nach Gilgit nicht persönlich begleitet hat. Er fordert Imam Quli Khan mit Drohungen auf, ihm die Jahresernte von Shigar zu überlassen, nach Skardu zu kommen und ihm als Oberherrn zu huldigen. Er weist daraufhin, dass Khaplu, Purik, Gilgit und Rondu unter seinem Befehl stehen. Er droht mit Krieg, wenn Imam Quli Khan sich ihm nicht unterstellt.

Imam Quli Khan antwortet, dass Murad Khan alle seine Erfolge nur ihm zu verdanken habe. Er habe ihn aus dem Kerker von Großtibet (Ladakh) befreit und ihn bei den Eroberungen von Khaplu, Purik, Rondu, Kartaksho, Gilgit und Brushal [Nagar] maßgeblich zur Seite gestanden. Imam Quli Khan droht energischen militärischen Widerstand an und weist daraufhin, dass er ein dem [Moghul-Kaiser] Shah Jahan nahestehender Diener sei. Imam Quli Khan erklärt, er sei niemals Untertan von Shah Murad gewesen und habe sich auch niemals diesem gegenüber unterwürfig gezeigt.

Die Berater von Murad Khan weisen den Herrscher von Skardu hiernach daraufhin, dass Imam Quli Khan tatsächlich gute Verbindungen zu Shah Jahan besitzt und diesen sofort über einen Angriff Murad Khans unterrichten würde. Die Berater empfehlen Murad Khan, nach Kashmir zu reisen und dem dortigen Gouverneur Nabob Saif Khan seine Beschwerden über die mangelnde Unterstützung Imam Quli Khans vorzutragen.

Murad Khan reist nach Kaschmir und trägt dem Gouverneur seine Beschwerden vor. Dieser schreibt an Imam Quli Khan und fordert ihn zur Stellungnahme zu den Vorwürfen auf.
Imam Quli Khan antwortet dem Gouverneur, dass sein Großvater und seine Ahnen niemals Untertanen von Murad Khan waren. Murad Khan verdanke sein Königreich in seiner jetzigen Ausdehnung nur seiner, Imam Quli Khans, Macht und Herrschaft. Die Expeditionen nach Gilgit seien Murad Khans Privatangelegenheit gewesen, da er dort von seinem Verwandten und Helfer Habib Khan unterstützt wurde. In Gilgit habe Murad Khan Gold, Rubine, Edelsteine und kostbare Perlen erbeutet, die er nach dem kaiserlichen Erlass über die Kriegssteuer an den Kaiser hätte überreichen müssen. Imam Quli Khan fragt, warum er diese an den Kaiser nicht ausgehändigt hat und erklärt, dass Murad Khan somit die kaiserlichen Gesetze missachtet.
Daraufhin fordert der Gouverneur Murad Khan auf, die den Kaiser zustehenden Besitztümer herauszugeben und bedroht ihn mit der Invasion einer kaiserlichen Armee, wenn er Imam Quli Khan angreifen würde. Murad Khan kehrt unverrichteter Dinge nach Baltistan zurück, wo einige Jahre nun Frieden herrscht.

[nach 1667] (129) Murad Khan erkrankt und stirbt.

[Murad Khan hatte zwei Brüder, nämlich Ali Shah und Sher Shah alias Sher Khan. Von diesen beiden war Sher Khan der Jüngste. Als Murad Khan starb, hinterließ er drei minderjährige Söhne, nämlich Muhammad Rafi, Radi Khan und Daulat. Von diesen war der ältere Muhammad Rafi zum Nachfolger von Murad Khan auserkoren.]

[nach 1667, vor 1674] (130-135) Bevor Murad Khan starb, hatte er testamentarisch verfügt, dass seine minderjährigen Söhne bei seinem Vertrauten Ruhan Sadaf aufwachsen und sein Bruder Ali Shah die Herrschaft über Skardu ausüben sollte, solange Murad Khans Sohn Muhammad Rafi minderjährig war. Ali Shah fühlt sich aber dieser Aufgabe nicht gewachsen. Er fordert deshalb seinen jüngeren Bruder Sher Khan, der in Kartaksho regiert, auf, die Herrschaft zu übernehmen. Er weist daraufhin, dass er Muhammad Rafi dadurch ruhigstellen könnte, dass dieser die Tochter Sher Khans heiratet. Begleitet von seinen Truppen zieht Shar Khan mit der Vorgabe, als trauernder Bruder einen Besuch abzustatten, nach Skardu und übernimmt die Macht über dieses Land. Sher Khan versammelt Truppen aus Kartaksho, Purik, Khaplu, Brushal [Nagar], Gilgit und Kharbu, um Shigar zu erobern. Die Angreifer setzen über den Indus und beziehen in Kothang [große Ebene vor Shigar, auf Abbildung 5 als Kothung verzeichnet] Stellung. Es kommt zur ersten großen Schlacht.

Abbildung 5: Skardu, Shigar, Kiris und Umgebung

 [nach 1667, vor 1674] (135-137) Um das Vorrücken von Hilfstruppen aus Khaplu, das von Babur, einem Neffen von Sher Khan regiert wurde, zu verhindern, hatte Imam Quli Khan vor dieser ersten Schlacht Amir Khan nach Kiris geschickt. Kaum war Amir Khan in seiner Heimat angekommen, sperrte er die Verbindungswege nach Westen. Als sich Babur mit seinen Truppen Kiris näherte, stieß er auf die Krieger von Amir Khan. Es kam zum Kampf, in dem Babur unterlag. 120 seiner Krieger wurden gefangen genommen. Babur bat Sher Khan um die Entsendung von Hilfstruppen, was dieser auch tat. In diesem Augenblick erreichte Aimir Khan ein Bote aus Shigar, der über die bedrohliche Situation dort berichtete. Amir Khan bricht sofort mit seinen Kriegern nach Shigar auf, um Imam Quli Khan zu unterstützen. Er sieht, dass kurz vor Shigar auf der Ebene von Kothang die Armee Sher Khans lagert. Er und seine Begleiter kämpfen sich den Weg nach Shigar frei und erreichen Imam Quli Khan.

[nach 1667, vor 1674] (137-145) Sher Khan lässt in Kothang alle Bäume fällen und rückt nach drei Tagen mit Truppen in das Dorf Bünpieh [Biapong der Karte von Abbildung 5] ein. Hier erleidet er bei einer nächtlichen Attacke der Truppen von Shigar erhebliche Verluste. An die einhundert seiner Krieger werden getötet und die Eindringlinge werden zum Rückzug gezwungen. Um vor weiteren nächtlichen Angriffen geschützt zu sein, errichten die Truppen Sher Khans eine Festung. Von der Festung aus rücken sie erneut gegen Bünpieh vor  und erleiden erneut eine Niederlage. Anschließend verschanzen sie sich in ihrer neu erbauten Burg. Die Krieger aus Shigar entzünden an der Burgmauer große Feuer und räuchern damit die Burginsassen aus, die fluchtartig die Festung verlassen. Auf dieser Flucht werden erneut 120 Krieger der Truppe Sher Khans erschlagen. Zusätzlich geriet Sher Khans Sohn Muncupa in Gefangenschaft. Es folgt noch eine Entscheidungsschlacht, in der Sher Khans restliche Krieger erneut unterliegen. Sher Khan verlässt mit den Toten das Schlachtfeld und kehrt mit ihnen in die Heimat zurück. Hier plant er einen erneuten Feldzug und lässt ein zweites Mal in allen Landesteilen Truppen ausheben. Er verkündet, dass jeder, der im Kampf Fahnenflucht begeht, sofort geköpft wird, und schickt seine Truppen erneut nach Bünpieh. Die Angriffspläne werden aber Imam Quli Khan verraten, so dass dieser geeignete Abwehrmaßnahmen treffen kann. Es kommt erneut zum Kampf.

[Die nachfolgenden Episoden sind nicht mehr chronologisch geordnet, was teilweise daran liegt, dass die Anordnung der Seiten im Manuskript durcheinander geraten sind. Grob genommen lassen sich aber zwei Hauptperioden unterscheiden, die ich mit A und B bezeichne.

Periode A: Nach dem gescheiterten Versuch Sher Khans, Shigar zu erobern, folgt die Gegenreaktion: Die Truppen aus Shigar und ihre Verbündeten erobern Kharku und anschließend Khaplu. Danach richtet sich der Angriff gegen Skardu, das von Sher Khan aufgegeben wird. Sher Khan zieht sich nach Kartaksho zurück. Innerhalb des Zeitabschnitts A wird versucht, eine mögliche zeitliche Abfolge herzustellen, in dem die Episoden mit A1, A2 usw. bezeichnet werden.

Periode B: Nach der Eroberung von Purik und Khaplu durch Truppen aus Ladakh unter Shakya Gyatsho (Shākya rGya-mtsho) im Jahre 1674 erfolgt eine Neuordnung der Herrschaftsverhältnisse in der Region Khaplu. Sher Khan verbündet sich mit Ladakh und unternimmt nach 1674 den zunächst teilweise erfolgreichen Versuch, Skardu zurückzuerobern. Als Reaktion hierauf führt Imam Quli Khan erneut einen Krieg gegen Skardu. Hatam Khan und Yakub in Khaplu schließen sich Sher Khan an. Mit der Rückeroberung von Purik durch Soldaten aus Kaschmir 1678/79 unter dem Gouverneur Ibrahim Khan ergeben sich auch in Khaplu innere Auseinandersetzungen. Diese Periode endet damit, dass Sher Khan endgültig kapituliert. Auch hier wird versucht, durch entsprechende Nummerierung eine zeitliche Anordnung für die Ereignisse der Periode B herzustellen.]

A1 [nach 1667, vor 1674] (155-157) Amir Khan begibt sich auf Befehl von Imam Quli Khan nach Khaplu. Vor ihm marschiert mit einer eigenen Armee Haidar Khan, der Sohn des von Murad Khan ermordeten Khaplu-Herrschers Rahim Khan. Imam Quli Khan fordert Shaki auf, parallel dazu mit seinen Truppen Kharku zu erobern. Shaki nimmt nach heftigen Kämpfen mit den Verteidigern der Burg Kharku diese schließlich ein.

A2 [nach 1667, vor 1674] (153-155) Geführt von Amir Khan setzen zwei Armeen über den Fluß [Shayok] und erreichen Sarfah Khar [in der Nähe von Khaplu]. Babur wird in Angst und Schrecken versetzt und berät sich mit seinem Wesir über die Lage. Der Wesir weist daraufhin, dass eine dieser beiden Armeen vom Raja [Muhammad Rafi] entsandt worden ist und von [Haider Khan], einem der Söhnen Rahim Khans, des ehemaligen Herrschers von Khaplu, der von Murad Khan ermordet wurde, geführt wird. Die andere Armee [unter Führung von Amir Khan] komme aus Shigar. Die Festung Kharku sei inzwischen erobert worden und man schicke sich nun an, die Festung von Babur [Thortsi Khar] einzunehmen. Da diese aber uneinnehmbar sei, empfiehlt der Wesir, Vorräte und Getreide anzuhäufen, so dass man solange ausharren könnte, bis Sher Khan Hilfe schicke. Die zur Sammlung der Getreidevorräte entsandten Leute kehren aber mit leeren Händen zurück und die Vorräte fallen in die Hände der anrückenden Gegner. Es kommt zur ersten Schlacht, in der keine der beiden Parteien obsiegt.

A3 [nach 1665, vor 1674] (145-147) Babur verweilt in der (belagerten) Festung [von Khaplu] und wartet auf Hilfe von Sher Khan. Dieser entsendet Yakub mit einhundert Kriegern, um Babur zu unterstützen. Yakub und Babur waren [von ihrem Onkel Murad Khan] als Herrscher [von Khaplu] eingesetzt worden. Danach hatte Babur seinen Bruder aus dem Lande verjagt. Trotzdem kommt Yakub nun, um seinem Bruder zu helfen. Zusätzlich sendet Sher Khan fünfzig Leute mit Getreide, um die Versorgung der belagerten Truppen sicherzustellen. Von dem entsandten Getreide kommt nur die Hälfte an. Die ebenfalls eingetroffenen einhundert Soldaten verschärfen die bestehende Hungersnot in der belagerten Festung. Angesichts dieser verzweifelten Lage beschließen die beiden Brüder, auf die Seite von Imam Quli Khan zu wechseln.

A4 [nach 1667, vor 1674] (148-151) Ein Gefangener kann aufgrund einer List aus einer Festung [welche?] entkommen und flieht anschließend zu Amir Khan, der sich in Khaplu aufhält. Ein Vertrauter des Raja [Muhammad Rafi] übermittelt an Amir Khan den Befehl, Kiris zu erobern. Amir Khan bricht mit seinen Truppen nach Kiris auf und besiegt die dortigen Besatzer. Der Anführer seiner Gegner, Kigo, wird getötet. Insgesamt kommen zwölf seiner Gegner ums Leben und hundertsechzig werden gefangen genommen. Amir Khan schickt die Gefangenen zu Imam Quli Khan nach Shigar. Jemand trägt Amir Khan vor, dass Babur sich Imam Quli Khan unterstellen möchte. Als Imam Quli Khan darüber informiert wird, verzeiht er Babur seine frühere Gegnerschaft und akzeptiert seine Unterwerfung. Von nun an schließen Yakub und Babur das Wohlergehen des Königs von Shigar in ihre Gebete ein.

A5 [nach 1665, vor 1674] (152-153) Es wird der Wunsch geäußert, dass der Raja [Muhammad Rafi] den jungen Mann sehen möchte, der sich aus dem Gefängnis befreit hat. Nach der Zustimmung von Imam Quli Khan schickt Amir Khan den jungen Mann zum Raja [Muhammad Rafi], der diesem seine Gunst erweist. Zu Amir Khan zurückgekehrt wird der junge Mann nach Shigar zu Imam Quli Khan geschickt, der ihn reich beschenkt. Der junge Mann gehörte zu einer Gruppe von Personen, die Murad Khan aus Gilgit mitgebracht hatte. Nach dessen Tod waren sie alle aus Skardu geflohen. Später überreichte sie Imam Quli Khan dem Sultan von Gilgit. Der junge Mann aber wurde mit einer Tochter von Amir Khan verheiratet.

A6 [nach 1667, vor 1674] (169-170) Die Untertanen des Imam Quli Khan in Shigar beschweren sich über die zusätzlichen Lasten, die ihnen durch die andauernden Kriege zusätzlich zur Abgabe von 25 % ihrer Getreideernte als Kriegsdienstleistungen aufgebürdet werden. Insbesondere fühlen sie sich durch das tyrannische Verhalten der sonstigen, in Shigar anwesenden Angehörigen der geflohenen Adligen aus Skardu etc., wie Imam Quli, Muhammad Rafi und Sultan Khan, beschwert. Imam Quli Khan ermahnt die Heerführer zu Wohlverhalten gegenüber den Untertanen von Shigar. Die fremden Kriegsführer und ihr Gefolge akzeptieren die Ermahnungen.

A7 [nach 1667 vor 1674] (179-180) Die Herrscher Jalis Khan von Gilgit und Rahim Khan von Brushal [Nagar] schicken Hilfstruppen für den Krieg gegen Sher Khan zu Imam Quli Khan nach Shigar.

A8 [nach 1667, vor 1674] (158-165) Mit Muhammad Rafi und Bahram als Anführer versammelt sich auf Anordnung von Imam Quli Khan eine große Armee in Kuardo [siehe Abbildung 1, unmittelbar nördlich von Skardu], setzt über den Indus und rückt gegen Skardu vor. Der Armee schließen sich Truppen von Imam Quli und Sultan Shah [beide Brüder von Sher Khan] an. Sher Khan bietet die kampflose Übergabe von Skardu an, wenn man ihm erlaube, sich unbehelligt nach Kartaksho zurückzuziehen. Imam Quli Khan willigt ein.

[Das Jahr 1674/75 ist gekennzeichnet durch die Eroberung von Purik und Khaplu mit der dortigen Festung Thortsi Khar sowie von Chorbat durch Truppen aus Ladakh. In Baltistan werden Hatam Khan, Sultan Khan und Ali  Khan als Herrscher von Khaplu eingesetzt. Bei Hatam Khan handelt es sich um den Sohn des von Murad Khan und Sher Khan ermordeten Rahim Khan. Eine der beiden restlichen Personen ist zweifelsfrei identisch mit Yakub, einem Neffen von Rahim Khan und Sher Khan. Das Herrschaftsgebiet von Hatam Khan war das Hushe Tal mit den Festungen von Saling und Haldi. Yakub regierte auf der anderen, linken Seite des Shayok in Khaplu. Die dritte hier genannte Person war offenbar als Herrscher über Chorbat eingesetzt.]

B1 [1674] (167-168) Als die Ungläubigen aus Ladakh Krieg gegen Imam Quli Khan führen, knüpft Sher Khan Kontakte zu dem ladakhischen Könighaus und schlägt vor, dass einer seiner Söhne ein ladakhische Prinzessin heiratet. Es kommt zur Hochzeit zwischen einem der Söhne Sher Khans und einer Prinzessin aus Ladakh. Daraufhin bittet Sher Khan um die Entsendung von zweitausend Soldaten zu seiner Unterstützung. Sein Wunsch wird vom ladakhischen König nicht erfüllt.

B2 [nach 1674] (204) Schilderung einer Begegnung zwischen Sher Khan und dem Gouverneur von Kaschmir. Der Inhalt dieser Episode ist teilweise unklar. Der Gouverneur überlässt Sher Khan einen jungen Mann namens Ali Quli Khan, den dieser nach Kartaksho mitnimmt. Sher Khan errichtet für Ali Quli Khan einen Palast und die Festung von Gol. Die beiden versuchen, Nar zu erobern, was aber fehlschlägt.

B3 [nach 1674] (181-186) Sher Khan ist wieder nach Kaschmir gereist. Ein Teil seiner Begleiter hatte ihn dort fluchtartig verlassen und war zu Imam Quli Khan geflohen. Zuvor war Muhammad Rafi von Parkuta zu Imam Quli Khan gereist. Gemeinsam waren sie nach Kuardo vorgerückt und hatten Skardu erobert. Die geflohenen Begleiter Sher Khans berichten, dass Sher Khans den Nabob von Kaschmir mit Gold bestochen hat, woraufhin dieser ihn als Herrscher von Baltistan bestätigte. Auf der Rückreise haben die Begleiter Sher Khans gegen ihn rebelliert und ihn ausgeplündert, wobei ihm aber mit einigen Begleitern die Flucht gelang. Die bei Imam Quli Khan angekommenen Männer aus dem Gefolge Sher Khans schlagen vor, Sher Khan vor seiner Rückkehr nach Kartaksho gefangen zu nehmen. Imam Quli Khan gibt dem nicht statt, weil er sowohl die Revolte grundsätzlich missbilligt als auch zu der Zusicherung steht, dass Sher Khan das ihm zugesagte Refugium Kartaksho belassen bleibt.

Imam Quli Khan erfährt, dass Sher Khan nach seiner Rückkehr nach Kartaksho seinen in Khaplu regierenden Neffen Yakub um militärische Hilfe gebeten und von ihm militärischen Nachschub angefordert hat. Imam Quli Khan versammelt unweit der Festung Kahchana [siehe Wohnburgen (Khar) und Bergfestungen in Baltistan, Abschnitt 4.2.] in Sundus [Sondus der Karten in Abbildung 1 und 5 nordwestlich von Skardu] die wehrfähigen Männer von Skardu, erklärt ihnen die militärische Gefahrenlage und teilt mit, dass er ihrer Hilfe eigentlich nicht benötige, da er mit seinen Soldaten aus Shigar den Kampf alleine entscheiden könne. Die Krieger aus Skardu teilen dem König aus Skardu mit, dass sie ihn unterstützen werden und zum Kampf gegen Sher Khan bereit sind. Imam Quli Khan schätzt diese Zusage der Leute aus Skardu als wertlos ein und fordert Muhammad Rafi Khan auf, mit der Unterstützung der Truppen aus Shigar den drohenden Angriff Sher Khans abzuwehren. Muhammad Rafi Khan glaubt einerseits nicht, dass sein Onkel Sher Khan seinen Eid, ihn als Herrscher von Skardu anzuerkennen, brechen werde und vertraut dem Gelübde der Einwohner von Skardu, nur ihn als König zu dulden und entsprechend zu verteidigen. Muhammad Rafi Khan begibt sich mit seinen Soldaten nach Skardu und Imam Quli Khan kehrt unverrichteter Dinge nach Shigar zurück.

Sher Khan besucht anschließend unter dem Vorwand friedlicher Absichten seinen Neffen Muhammad Rafi Khan in Skardu und schmeichelt sich bei ihm ein. Bei der nächstpassenden Gelegenheit lässt er den arglosen Muhammad Rafi Khan [in Parkuta] einkerkern und übernimmt wieder die Macht in Skardu.

B4 [nach 1674] (B, 186-191) Nachdem Muhammad Rafi gefangengenommen war und Sher Khan in Skardu die Macht übernommen hatte, fasste letzterer den Plan, Kiris einzunehmen. Amir Khan weilte zu dieser Zeit außerhalb von Kiris in Shigar und hat die Verwaltung von Kiris seinem Stellvertreter Ismail Mir übertragen. Sher Khan schickt einen Boten nach Kiris, um Ismail Mir auf seine Seite zu ziehen. Ismail Mir folgt den Verlockungen Sher Khans und begeht Verrat an Amir Khan, indem er zulässt, dass die Truppen Sher Khans kampflos die Burg von Kiris einnehmen. Sher Khan hat somit die Macht über Kiris erlangt. Als Imam Quli Khan diese Nachricht erhält informiert er sofort Amir Khan, lässt es aber nicht zu einer sofortigen militärischen Gegenaktion kommen. Inzwischen schickt Sher Khan an den in Khaplu regierenden Babur [hier wird der verstorbene Babur mit seinem Bruder Yakub verwechselt] eine Boten und fordert ihn auf, zur Eroberung von Shigar eine große Armee zu senden. Babur [lies: Yakub] befürchtet jedoch einen Angriff der drei Söhne des von Sher Khan und Murad Khan ermordeten Rahim Khan, die unmittelbar an der Grenze seines Machtbereichs [im Hushe Tal] regieren, und sagt nur zu, eine kleine Truppe kampferprobter Männer zur Unterstützung vom Sher Khan zu schicken. Als Imam Quli Khan von den Angriffsplänen Sher Khans gegen Shigar hört, entschließt er sich, militärisch massiv gegen Sher Khan vorzugehen.

B5 [nach 1674] (177-179) Amir Khan, dem von Imam Quli Khan als Emir auch die Herrschaft über Kharku übertragen worden war, verlässt mit seinen Kriegern die Burg von Kharku, um am Krieg gegen Sher Khan teilzunehmen. In Kharku verbleiben einige seiner Vertrauensleute. Nach einigen Monaten Abwesenheit erreicht ihn die Nachricht, dass Hatam Khan und Yakub die Festung von Kharku erobert haben. Zum Hintergrund dieses Angriffs wird berichtet, dass Yakub zu Hatam Khan nach Haldi eine Nachricht geschickt hat, in der er das Verhalten von Amir Khan und Imam Quli Khan gegenüber Hatam Khan und ihm selbst als demütigend und erniedrigend darstellt. Yakub fordert Hatam Khan auf, sich mit ihm und Sher Khan zu verbünden. Er bietet an, dass Hatam Khan seine Tochter heiratet und verspricht ihm zusätzlich zur unangefochten Beibehaltung der Herrschaft über Haldi die Verfügungsgewalt über Sarfah Khar und die Oberherrschaft über Khaplu an. Sher Khan hielte sich zwar zurzeit in Kaschmir auf, würde ihn aber bei seiner Rückkehr belohnen. Er weist daraufhin, dass die Feinde [aus Shigar] zwar in Sher Khans Land eingedrungen seien, seine Festung aber uneinnehmbar sei und es von daher seinen Feinden nicht gelingen werde, Thron und Krone an sich zu reißen. Im Fall seines Sieges würde Sher Khan ihn als Emir von Khaplu einsetzen. Yakub gibt zu, es sei wahr, dass Sher Khan und Murad Khan den Vater [Rahim Khan] von Hatam Khan ermordet hätten. Er weist aber darauf hin, dass dies nunmehr kein Hindernis dafür sein sollte, sich mit Sher Khan zu verbünden. Hatam Khan wendet sich daraufhin von Imam Quli Khan ab und schließt ein Bündnis mit Yakub. Gemeinsam attackieren sie Kharku und erobern die Festung nach zweitägiger Belagerung, wobei sie alle Verteidiger töten. Als Imam Quli Khan diese Nachricht erreicht, ist dieser wütend und kündigt an, er werde Skardu erobern und anschließend Yakub und Hatam Khan vom Erdboden vertilgen.

B6 [nach 1674] (166-167) Eine Truppe von 1000 Infanteristen, vierzig Reitern und vierzig Musketieren rückt gegen Yakub und Hatam vor. Nach dem Sieg über die Feinde begeben sich die Angreifer nach Kharku. Ali Khan und Babur belohnen die Sieger. Wenig später stirbt Ali Khan und vier Monate später stirbt Babur. Der über den Tod der beiden entsetzte Imam Quli Khan befiehlt, die Festung [Kharku], in der beide verstorben sind, in Brand zu setzen.

B7 [nach 1674] (174-177) Eine unter dem Oberbefehl von Amir Khan stehende Armee bricht von Shigar auf, um Sher Khan niederzuzwingen. Die Truppen versammeln sich in Nar, wo sie nachts den Indus überqueren. Ziel dieser Operation war es, den anrückenden Truppen Sher Khans den Weg zu versperren. Der Feind wird geschlagen und vierhundert feindliche Krieger geraten in Gefangenschaft. Die Siegesnachricht wird Amir Khan überbracht. [Damit war die Festung Kharphocho aber noch nicht eingenommen.] Um den Feind [in Kharphocho] von der Wasserversorgung abzuschneiden, baut man vom Satpara-See aus einen Kanal, der das Wasser so ableitet, dass das Bett des Flusses, der Skardu mit Wasser versorgte, austrocknet. Dann errichtet man einen Turm mit einer Wurfmaschine, mit der man die Feinde mit Steinen bombardiert. Als letztes Mittel baut man ein Schiff, dass auf dem Indus verankert werden soll und von dem man die Feinde, die von dort noch Wasser holen, unter Beschuss nehmen kann. Dieses gelingt erst beim zweiten Versuch.

B8 [nach 1674] (208-213) In Kiris herrschte einstmals Ahmad Mir. Dieser hatte mehrere Söhne, von denen zwei mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet waren. Einer von ihnen [Amir Khan] diente am Hof von Shigar, während der andere [Hatam Khan] nach Khaplu zog. Ahmad Mir teilte sein Königreich unter den beiden Söhnen auf. Amir Khan erhielt Kiris, während dem Ahmad Khan Kuru zugesprochen wurde. Nach Antritt des Erbes verfeindeten sich die beiden Brüder und Amir Khan konnte mit militärischer Hilfe des Königs von Shigar die Burg von Kuru einnehmen. Dennoch unterstellte sich Hatam Khan dem König von Shigar und trat wie sein Bruder Amir Khan in dessen Dienste ein. Als Amir Khan in Kharku verstarb, verließ Hatam Khan die Dienste von Imam Quli Khan und schloss sich Sher Khan an. Er versuchte zusammen mit Sher Khan die Burg von Kuru zu erobern, aber der als Burgvogt eingesetzte Mir Malik konnte die Festung erfolgreich verteidigen. Hatam Khan kehrte mit Sher Khan unverrichteter Dinge in dessen angestammten Gebiete zurück. Als die Festung in Kuru einen anderen Burgvogt bekam, erfuhr Hatam Khan von einem Spion, dass die wehrfähigen Männer von Kuru weiterhin auf seiner Seite stünden. Hatam Khan begibt sich in der Nacht nach Kuru, wo er von den Einwohnern freundlich begrüßt wird und wo er die Festung kampflos übernehmen kann. Imam Quli Khan beorderte zunächst Muhammad Rafi mit seiner Armee zu sich, verlässt Shigar und bezieht in Nar Stellung. Er beauftragt Imam Quli, die Stellung in Skardu aufrecht zu halten. Die Aufgabe der Eroberung von Kuru wird Watul übertragen, der in die Oase Kuru vorrückt. Dort befiehlt dieser die Vernichtung der Ernte und lässt alle Dattelpalmen fällen. Als Sher Khan von dieser Aktion erfährt, rückt er nach Parkuta vor, wo er über weitere Maßnahmen beraten lässt. Sher Khans Soldaten rücken in Kuru ein, wo sie eine eiserne Festung errichten. Es kommt zur Schlacht mit den Kriegern von Shigar, die für beide verlustreich ist. Der Verlauf des Kampfes beunruhigt Qasim, den Wesir von Sher Khan, sehr. Er fordert Sher Khan auf, Ali Quli Khan zu Unterstützung der Truppen Sher Khans nach Kuru zu schicken. Ali Quli Khan verkündet dem Herrscher von Shigar, er habe Kaschmir hinter sich gelassen und äußert Drohungen gegen alle, die ihm Widerstand leisten.

B9 [1678/79] (203) Brief des Gouverneurs von Kaschmir Nabob Ibrahim Khan an Imam Quli Khan und Muhammad Rafi Khan. Ibrahim Khan berichtet, er sei in Purik eingetroffen, um die Muslime zu befreien und das Land von den Ungläubigen zu befreien. Er habe Sher Khan aufgefordert, ihm zur Hilfe zu kommen. Sher Khan habe mitgeteilt, er sei unterwegs zu ihm. Ibrahim Khan fordert Imam Quli Khan und Muhammad Rafi Khan auf, ihn mit Truppen ebenfalls zu unterstützen.“

B10 [1678/79] (155) Die Krieger [von Sher Khan] kommen siegesfroh nach dem Feldzug gegen Purik zurück, wo sie die Festungen Siyari und Sot erobert haben. Falls es der Herrscher befiehlt, wollen sie nach Khaplu vorrücken. Ansonsten werden sie in Kartaksho bleiben.

B11 [nach 1678/79] (191-193) [Während der Abwesenheit Sher Khans hat Imam Quli den in Parkuta gefangenen Muhammad Rafi befreit und nach Skardu zurückgeholt.] Es kommt nun zu einem Bündnis von Muhammad Rafi und Imam Quli Khan. Imam Quli bestellt Hasan Mir und Sultan Khan nach Sundus. Der König von Shigar stellt Sultan Khan einhundert Krieger zur Seite, mit denen dieser in der Festung Kahchana Stellung bezieht.

B12 [nach 1678/79] (170-172) In dem Krieg zwischen Shigar unter Imam Quli Khan und Skardu unter Sher Khan sollen die angreifenden Truppen aus Shigar die Burg des Ortes Chumiksar [d. i. das unmittelbar östlich der Festung Kharphocho und unterhalb von Mindok Khar gelegene Dorf] erobern. Dazu sollen die in Nansaq [dies ist das auf der Karte von Abbildung 5 südlich des Zusammenflusses des Indus und des Shigar Flusses am linken Ufer des Indus verzeichnete Nansok] stationierten Truppen von Shigar unter Sultan Khan und Hasan Mir mit der Unterstützung weitere schwertkundiger Kämpfer nach Chumiksar vorrücken. Dem Angriff ist kein Erfolg beschieden.

B13 [nach 1678/79] (172-173) Ein weiterer nächtlicher Angriff gegen die Festung unter Führung von Truppen aus Skardu, die sich Imam Quli Khan angeschlossen haben, gelingt ebenfalls nicht.

B14 [nach 1678/79] (194-199) Während seines Aufenthaltes in Kartaksho erfährt Sher Khan, dass Muhammad Rafi von Imam Quli aus der Gefangenschaft in Parkuta befreit wurde und in das Land Skardu zurückgekehrt ist. Ihm wird auch zugetragen, dass sich Truppen aus Shigar zur Unterstützung von Imam Quli im Gebiet Skardu aufhalten, dass aber die Einwohner von Skardu ihm gegenüber loyal eingestellt seien. Sher Khan fordert von Yakub militärische Unterstützung an. Dieser schickt fünfhundert Männer unter Führung von Hatam Khan zu ihm. Sher Khan zieht zunächst nach Barsha [das südwestlich von Skardu eingezeichnete Biansah der auf Abbildung 5 zu findenden Karte] und begiebt sich dann zu der im Dorf Shigri [das nördlich von Biansah gelegene Shagari der auf Abbildung 5 zu findenden Karte] befindlichen Festung, die er leer vorfindet. Er muss feststellen, dass niemand aus Skardu zu ihm kommt, um ihn zu unterstützen. Es kommt zu mehreren Gefechten außerhalb der Festung mit den Truppen aus Shigar, in denen die Krieger Sher Khans jeweils unterlegen sind. Letztendlich ziehen sich seine Truppen auf den Berg von Shigri [Shagari] zurück. Imam Quli Khan und Amir Khan verzichten auf einen Sturmangriff, da sie davon ausgehen, dass ihnen die Feinde in der gegebenen Situation ohnehin in die Hände fallen werden.

B15 [nach 1678/79] (205-207) Der in Khaplu regierende Yakub vertreibt die in Khaplu stationierten Krieger aus Ladakh aus seinem Land. Danach unternimmt er den Versuch, den im Hushe-Tal regierenden Hatam Khan zu vertreiben. Yakubs Krieger begeben sich nach Saling und erobern die dortige Festung. Dann rücken sie gegen Haldi vor, wo sie das Tor zur Festung einschlagen. Bei der folgenden Plünderung erleben sie aber einen Gegenangriff von Hatam Khans Soldaten und erleiden eine Niederlage. Yakub zieht sich mit seinen verbleibenden Truppen nach Khaplu zurück.

B16 [nach 1678/79] (207-208) Hatam Khan von Khaplu unterstellt sich Imam Quli Khan, der das Bündnis mit Hatam Khan trotz der von Hatam Khan in der Vergangenheit begangenen Fehler akzeptiert.

B17 [nach 1678/79] (204-205) Der König von Schwarz-Tibet [Ladakh] schickt einen Brief an Imam Quli Khan, in dem er seine Allianz mit Sher Khan bedauert und vorschlägt, dass einer der Söhne des Königs von Shigar eine seiner Töchter heiratet. Imam Quli Khan lehnt eine solche Verbindung der beiden Königshäuser ab.

B18 [nach 1678/79] (199-200) Qasim, der Wesir und Ratgeber Sher Khans, versucht einen Entlastungsangriff, in dem er mit seinen Truppen die von Sultan Khan gehaltene Burg Kahchana angreift. Er erleidet eine Niederlage, wobei sein Sohn schwer verletzt wird.

B19 [nach 1678/79] (200-202) Sher Khan wendet sich an seinen in Rondu regierenden Bruder Ali Shah und bittet ihn um Truppenhilfe. Ali Shah rückt mit seinen Kriegern bis Bashu [das nordwestlich von Skardu auf der linken Indusseite gelegene Basho der Karte von Abbildung 1] vor. In Kusura [Abbildung 1: Kachura, südwestlich von Basho gelegen] stellen sich ihnen Krieger von Imam Quli Khan entgegen. Ali Shah und seine Männer ziehen sich aus Bashu und Kusura zurück. Sie wählen einen ohne Pferde begehbaren Bergpfad, um nach Skardu zu gelangen.

B20 [nach 1678/79] (213-216) Angesichts einer wegen Mangel an Wasser und Nahrung drohenden Revolte der in der Festung [Shigri oder Kharpocho] eingeschlossenen Krieger begibt sich der Wesir Qasim zu Sher Khan, um die schwierige Lage zu beraten. Sher Khans Bruder Ali Shah schickt einen Boten zu Imam Quli Khan, um einen Frieden auszuhandeln. Imam Quli Khan lehnt einen Friedensschluss kategorisch ab und will solange kämpfen, bis Muhammad Rafi die Herrschaft seines Vaters [Murad Khan] und seine Burg [Kharphocho] zurückerhalten hat.

B21 [nach 1678/79] (216-218) Der Wesir Qasim unternimmt den Versuch, für die Belagerten in der Burg [von Shigri und/oder Kharphocho] Nahrung zu beschaffen. Er schickt vierzig seiner Krieger beladen mit Nahrungsmitteln in der Nacht los, um die Versorgung der eingeschlossenen Truppen sicher zu stellen. Die vierzig Soldaten werden entdeckt und verlieren ihre Getreideladungen.

B22 [nach 1678/79] (218-220) Sher Khan schickt Leute los, damit sie aus der Gegend um die Festung Kahchana Nahrung erbeuten und in die Burg [von Shigri und/oder Kharphocho] bringen. Der Überfall auf einen Mann, der mit einem mit Mehl beladenen Lasttier vorbeikommt, misslingt.

B23 [nach 1678/79] (220-223) Sher Khan entsendet auf den Rat seines Bruder Ali Shah hin seinen Wesir Qasim zum Hof von Imam Quli Khan, um die Übergabe der Festung Kharphocho anzubieten und darum zu bitten, Sher Khans Leben zu verschonen. Der Wesir trifft am Hof von Imam Quli Khan ein und wird zum König von Shigar vorgelassen. [Hier endet das Shigar Nāma in der von Behrouz bearbeiteten Version.]

B24 [nach 1678/79] (202) Hier wird von einer Person [Sher Khan] berichtet, die ihre Armee in Kartaksho zurücklässt und mit einigen Begleitern nach Purik [ins Exil] weiterreist 

4. Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
François Bernier: Travels in the Mogul Empire. Translated from the French by Irving Brook. Vol. II, London 1826
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972.
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Ináyat Khán: Sháh Jahán-náma. In: The History of India as Told by its Own Historians. The Muhammadan Period. The Posthumous Papers of the Late Sir H. H. Elliot. Edited and Continued by Professor John Dowson. Vol. VII. First Indian Edition. Allahabad 1964, S. 73-122
Sāqi Must´ad Khan: Maāsir-i-´Ālamgiri. A History of the Emperor Aurangzib-´Ālamgir (Reign 1658-1707 A. D.). Translated into English and annotated by Jadu Nath Sarkar. Kolkata 1947. Second Reprint 2008
´Abdu-l Hamíd Láhorí: Bádsháh-náma. In: The History of India as Told by its Own Historians. The Muhammadan Period. The Posthumous Papers of the Late Sir H. H. Elliot. Edited and Continued by Professor John Dowson. Vol. VII. First Indian Edition. Allahabad 1964, S. 3-72
Luciano Petech: The Kingdom of Ladakh. C. 950-1842 A. D. Roma 1977
Dieter Schuh: Herrscherurkunden und Privaturkunden aus Westtibet (Ladakh), Halle 2008 (= Monumenta Tibetica Historica, Abteilung III. Diplomata, Epistolae et Leges, Band 11)
Dieter Schuh: Die Herrscher von Baltistan (Klein-Tibet) im Spiegel von Herrscherurkunden aus Ladakh. In: Chomolangma, Demawend und Kasbek. Festschrift für Roland Bielmeier zu seinem 65. Geburtstag. Band 1: Chomolangma, Halle 2008, S. 165-225

Autor: Dieter Schuh, 2010, ergänzt 2012

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