Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Die Khilingrong-Moschee in Shigar von Norden aus photographiert (Oktober 2008)

 Traditionelle Moscheen (Masjid) in Baltistan (Klein-Tibet)

Traditionelle Moscheen in Baltistan sind islamische Gebetshäuser, die sich einerseits von den landestypischen großen Khanqa-Gebetshallen und Matam Serais grundsätzlich durch ihre Größe unterscheiden, andererseits wie Astana-Grabmonumente durch pyramidenförmige Dachkonstruktionen und umlaufende Veranden gekennzeichnet sein können. Wie Astana-Grabmonumente weisen Moscheen häufig turmartige Dachaufaubauten mit einer laternenartigen Spitze auf. Bedingt durch Zerfall sind heute oftmals ehemalige Bauteile verschwunden. Ein Beispiel hierfür ist die Moschee in der Festung von Skardu, bei der der größte Teil der ehemals umlaufenden Veranda, das pyramidenförmige Dach und der Turmaufbau vollständig verloren gegegangen sind. Erhalten geblieben ist nur der bauliche Kern mit dem eigentlichen Gebetsraum und Teile der Veranda im Erdgeschoss der Moschee. Im Folgenden werden islamische Gebetshäuser von Baltistan dann als Moschee aufgeführt, wenn dies der Bezeichung durch meine einheimischen Informanten entsprach. Ein Versuch, die traditionellen Moscheen in Baltistan architektonisch zu typisieren und die Unterschiede zu Khanqas und Astanas zu beschreiben, wurde von Klimburg unternommen. Zum Vergleich sollte man auch die traditionellen Moscheen von Purig (heute Kargil-Distrikt) heranziehen, die wegen der grossen Armut des Landes sich nur als sehr bescheidene Bautwerke präsentieren. 

Inhaltsverzeichnis

1. Moscheen in Shigar
1.1. Die Khilingrong-Moschee in Shigar
1.2. Die Amburiq-Moschee in Shigar
1.3. Die Moschee des Herrscherhauses am königlichen Palast von Shigar
1.4. Sonstige ältere Moscheen in Shigar
2. Die Chakchan-Moschee von Khaplu
3. Moscheen in Skardu
4. Literatur

1. Moscheen in Shigar

Shigar ist ein Ort, der mit Khaplu die größte Dichte an architektonisch und künstlerisch herausragenden Bauwerken aufweist.  Historisch bedingt ist dies einerseits durch die Größe und Fruchtbarkeit der beiden Orten unterstellten Täler und andererseits durch eine relative Zurückhaltung in kriegerischen Aktivitäten. Die sich über Jahrhunderte erstreckenden kriegerischen Aktivitäten der kriegslüsternen Balti-Nachbarn Skardu und Kharmang führten dort offenbar zu einem Resoursenverbrauch, der Investitionen in religiöse und weltliche Prachtbauten notgedrungen beschränkte.

1.1. Die Khilingrong-Moschee in Shigar

Die Khilingrong-Moschee in Shigar (Abbildung 1) befindet sich in unmittelbarer Nähe des ehemals befestigten königlichen Palastes. Sie erstreckt sich wie die Chakchan-Moschee in Khaplu über zwei Etagen. Die zahlreichen Holzschnitzereien weisen sie als Meisterwerk islamischer Baukunst in Baltistan aus. Die Moschee wurde vom Aga Khan Cultural Service-Pakistan hervorragend restauriert. Über den Zeitpunkt der Errichtung dieser Moschee und über ihren Erbauer ist mir nichts bekannt geworden.  Klimburg (S. 156) vermutet, dass sie als eine Art Hofmoschee für das Herrscherhaus gedient hat. Angesichts der Tatsache, dass unmittelbar neben den Herrscherpalast eine bescheidene königliche Moschee erbaut worden ist, erscheint mir diese Vermutung als nicht nachvollziehbar.

Abbildung 2: Die Khilingrong-Moschee von Shigar, von Süden aus photographiert (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 3: Eingangstür der Khilingrong-Moschee in Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 4: Innenraum der Khilingrong-Moschee in Shigar (Oktober 2007)

 1.2. Die Amburiq-Moschee in Shigar

Die Amburiq-Moschee liegt südlich des Ortsausgangs von Shigar unweit der Straße nach Skardu. Die kleine Moschee wurde unter der fachlichen Leitung des Aga Khan Cultural Service-Pakistan im Jahre 1998 restauriert. Ihre Entstehung wird zwar Sayyid 'Ali Shah Hamadani, dem bedeutendensten islamischen Missionar des 14. Jahrhunderts in der Region von Kashmir, zugeschrieben, doch gibt es dazu bisher keine wissenschaftlichen Belege. Das Kerngebäude dieser Moschee ist mit der in Baltistan verbreiteten Bauweise in Holzfachwerk errichtet, wobei der Holzanteil 75-80 % betragen soll. Die Amburiq-Moschee weist nur eine Veranda vor dem nach Osten ausgerichteten Eingang auf. Bemerkenswert ist auch bei dieser Moschee der Turmaufbau, der das Dach überragt und mit einer laternenartigen Spitze versehen ist.  

Abbildung 5: Nach Osten ausgerichtete Eingangsseite der Amburiq-Moschee in Shigar (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 6: Südseite der Amburiq-Moschee von Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 7: Rückseite der Amburiq-Moschee von Shigar (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 8: Gebetsraum der Amburiq-Moschee in Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 9: Kunstvoll geschnitzte Holzfriese und Fensterumrandung der Amburiq-Moschee in Shigar (Oktober 2007)

 1.3. Die Moschee des Herrscherhauses am königlichen Palast von Shigar

Unmittelbar neben dem alten Palast der Herrscher-Familie von Shigar befindet sich die zum Palast gehörige Moschee. Sie ist nur an zwei Seiten (Süden und Osten) mit einer Veranda ausgestattet, besitzt heute ein Flachdach und ist im Vergleich zur Khilingrong-Moschee und zur Amburiq-Mosche ein als sehr schlichtes Gebetshaus. Über das Alter dieser Moschee ist uns nichts überliefert. Offenkundig wurde sie aber im Zusammenhang mit der Restaurierung des Königspalastes ebenfalls wiederhergestellt.

Abbildung 10: Die Südseite der schlichten Moschee des Herrscherhauses von Shigar. Links ist der Königspalast sichtbar. (Oktober 2007)

 

Abbildung 11: Gebetsraum der Moschee der Herrscherfamilie von Shigar (Oktober 2007)

 1.4 Sonstige ältere Moscheen in Shigar

Von den zahlreichen sonstigen Moscheen des Ortes Shigar und des Shigar-Tales seien hier nur drei traditionelle Moscheen exemplarisch kurz vorgestellt. Die erste dieser Moscheen befindet sich im Wohnbezirk der großen Khanqa-Gebetshalle von Shigar, der in der Literatur auch als Astana-Bezirk von Shigar bezeichnet wird und der sich ausgehend von der Khanqa-Gebetshalle nach Südwesten erstreckt. Über die Geschichte dieser alten Moschee, deren baulicher Zustand als bedenklich zu charakterisieren ist, ist mir nichts bekannt geworden.

   

Abbildung 12: Lage der alten Moschee im Astana-Bezirk (Astana Settlement) von Shigar. Karte nach Cheema, S. 169

 

Abbildung 13: Straßenansicht der alten Moschee im Astana-Bezirk von Shigar (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 14: Nordseite der alten Moschee im Astana-Bezirk von Shigar (Oktober 2007)

 

 Abbildung 15: Rückseite der alten Moschee im Astana-Bezirk von Shigar (Oktober 2007)

 Südlich der alten Herrscherresidenz von Shigar (Shigar fort) befindet sich ein kleiner Ortsteil, der in der Karte http://wikimapia.org/#lat=35.3001447&lon=75.638423&z=17&l=0&m=b als Gzwapa bzw. Hasnain Abad verzeichnet ist. Die in diesem idyllischen Dorf befindliche kleine Moschee wurde im Jahre  2007, als ich den Ort aufsuchte, gerade restauriert. Wie bei der Königs-Moschee von Shigar findet sich heute nur auf der östlichen und der südliche Seite eine Veranda. Die Mosche ist mit einem Flachdach versehen und besitzt keinen Turmaufbau.

   

Abbildung 16: Südseite der alten Moschee im Ortsteil Gzwapa von Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 17: Ostseite der alten Moschee im Ortsteil Gzwapa von Shigar (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 18: Mit Holzschnitzereien versehene Tür der alten Moschee im Ortsteil Gzwapa von Shigar (Oktober 2007) 

 

Abbildung 19: Gebetsraum der alten Moschee im Ortsteil Gzwapa von Shigar (Oktober 2007) 

 Östlich der Amburiq-Moschee findet sich auf einem hohen Felsen eine kleine, nur schwer zugängliche Moschee. Auf eine Moschee in vergleichbarer Lage bin ich nur in Saling gestoßen, wo sich eine ebenfalls sehr kleine Moscheee am Berghang unterhalb des Burgberges von Saling befindet. Wie hier in Shigar war auch das Gebäude in Saling in einem baulich sehr schlechten Zustand.

   

Abbildung 20: Östlich der Amburiq-Moschee gelegene Felsen-Moschee

 

Abbildung 21: Östlich der Amburiq-Moschee gelegene Felsen-Moschee

 2. Die Chakchan-Moschee von Khaplu

Die Chakchan-Moschee in Khaplu ist die größte und bedeutendste der traditionellen Moscheen in Baltistan. Nach Klimburg (S. 155) wird ihre Errichtung wie die der Amburiq-Moschee in Shigar dem islamischen Missionar SayyId 'Ali Hamadani (14. Jahrhundert) zugeschrieben, was wie bei der Aburiq-Moschee historisch als nicht gesichert anzusehen ist. Die Moschee ist wie die Khilingrong-Moschee in Shigar doppelstöckig. Der untere Gebetsraum wird im Winter verwendet, während der Raum in der oberen Etage als Sommer-Gebetsraum benutzt wird. Nach Klimburg handelt es sich um ein Bauwerk der Nūrbakhshīya-Sekte mit der Funktion einer Khanqa-Gebetshalle, die die äußere Erscheinung einer Moschee hat.

 

Abbildung 22: Die Chakchan-Moschee in Khaplu vor der Restaurierung nach Hughes, S. 120  

 

Abbildung 23: Straßenseite der Chakchan-Moschee in Khaplu (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 24: Innenraum der Chakchan-Moschee in Khaplu nach Hughes, S. 120 

 

Abbildung 25: Veranda der Chakchan-Moschee in Khaplu (Oktober 2007)

 3. Moscheen in Skardu

Von den alten Moscheen in Skardu sei hier nur die ehemals königliche Moschee in der Ruine der hoch über der Stadt thronenden Kharphocho-Festung vorgestellt. Diese Moschee wurde 1914 von de Filippi photographiert. Der Vergleich mit dem heutigen Zustand dieser zweistöckigen Moschee zeigt, dass im Vergleich zum ursprünglichen Zustand in den letzten 100 Jahren wesentliche Teile wie die umlaufende Veranda des Obergeschosses, das pyramidenförmige Dach und der Turmaufbau, vollständig verloren gegangen sind.

   

Abbildung 25: Die alte königliche Moschee in der Kharphocho-Festung ´von Skardu im Jahre 1914 nach de Filippi

 

Abbildung 26: Reste der königlichen Moschee in der Kharphocho-Festung von Skardu im Oktober 2007

 Skardu ist zur Zeit ein Ort, der eine rasante städtebauliche Entwicklung aufweist. Entsprechend werden an mehreren Stellen der Stadt neue Moscheen als Prachtbauten errichtet, die das Bild dieses Ortes in völlig neuer Weise  prägen werden. Es bleibt zu hoffen, dass diese neuen Entwicklungen gleichwohl den Erhalt der alten, landestypischen Kultudenkmäler nicht behindern wird und das unglückliche Beispiel des Schicksals der alten Moschee in der Ortschaft Nar keine Nachahmung findet. 

Abbildung 27: Am östlichen Ortseingang von Skardu 2007 im Bau befindliche neue Moschee

 

      

Abbildung 28: Moschee, Qatal Gah, Skardu (Oktober 2007)

 

Abbildung 29: Neue Moschee in Skardu, von der Kharphocho-Festung aus photographiert (Oktober 2007)

 

Abbildung 30: Im Bau befindliche neue Moschee in Skardu, von der Kharphocho-Festung aus photographiert (Oktober 2007)

 4. Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988.
Yasmin Cheema: Towards an Inventory of Historic Buildings and Cultural Landscapes.In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 165-184.
A. H. Dani: History of Northern Areas of Pakistan. Islamabad 1991.
Filippo De Filippi: Storia della spedizione scientifica Italiana nel Himalaia Caracorum e Turchestan Cinese (1913-1914). Bologna 1923.
Richard Hughes: Vernacular Architecture and Construction Techniques in the Karakoram. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 99-132.
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht.
Max Klimburg: Traditional Art and Architecture in Baltistan. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 149-164.

Autor: Dieter Schuh, 2010. Bildnachweise: Karte 12 aus Cheema, S. 169. Abbildung 25 aus de Filippi. Alle anderen Abbildungen: Dieter Schuh.

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