Tibet-Encyclopaedia

 

Mirza Khan (Statthalter in Skardu und Herrscher von Kartaksho in Baltistan bzw. Klein-Tibet)

Mirza Khan war in den Jahren nach 1636/37 bis 1650 ein Statthalter von Adam Khan in Skardu. Daneben regierte er Kartaksho. Wegen einer Rebellion gegen seinen Oberherrn und gegen die Vorherrschaft der Moghul-Kaiser wurde er nach einer von Kaschmir aus durchgeführten militärischen Intervention im Jahre 1650 als Statthalter von Skardu abgesetzt, behielt aber seine Stellung als Herrscher von Kartaksho. Nach 1650 wurde das ihm verbliebene Land von Murad Khan aus Skardu und Imam Quli Khan aus Shigar erobert. Mirza Khan ging zunächst nach Ladakh ins Exil, kehrte aber später von dort aus nach Khaplu zurück. Nach der Einnahme von Khaplu ließ ihn Murad Khan gefangen nehmen, nach Indien deportieren und einkerkern.

Mirza Khan wird zunächst im Sháh Jahán-náma des Ináyat Khán als Rebell erwähnt. Die wichtigste Quelle über sein Leben ist aber die Verschronik Shigar Nāma, in der er an mehreren Stellen aufgeführt wird. Aus dem Shigar Nāma ist nicht eindeutig ersichtlich, ob der Mirza Khan genannte Statthalter von Skardu mit dem gleichnamigen Herrscher von Kartaksho identisch ist. Gleichwohl folgen wir hier der Annahme von Hashmatullah Khan und Afridi, dass es sich hier bei Mirza Khan um ein und dieselbe Person handelt. In den genealogischen Listen von Cunningham und Francke über die Herrscher von Parkuta wird Mirza Khan nicht aufgelistet.

Nach der Eroberung von Baltistan durch Truppen des Moghul-Kaiser Shah Jahan (1627-1658) im Jahre1636 wurde Adam Khan, ein Sohn des berühmten Ali Sher Khan, vom Kaiser als Vertreter von Baltistan gegenüber dem Kaiserhof eingesetzt. Dies geschah mit der Auflage, dass Adam Khan in Kaschmir leben musste. Adam Khan setzte deshalb für Skardu, also für den ihm direkt unterstellten Herrschaftsbereich in Baltistan, Mirza Khan als Statthalter ein.

Mirza regierte zur Zufriedenheit aller etwa zehn Jahre lang in Skardu. Um 1650 musste Adam Khan feststellen, dass sein in Skardu regierender Statthalter seinen Anordnungen nicht mehr folgte. Das Shigar Nāma berichtet, dass Mirza Khan insbesondere die Verbindungswege zwischen Baltistan und Kaschmir unterbrach und einen Berater, den Adam Khan zu ihm geschickt hatte, getötet hatte (Behrouz, S. 85). Auf kaiserlichen Befehl hin rückte daraufhin im Jahre 1650/51 erneut eine Armee aus Kaschmir gegen Baltistan vor. Unter den Truppen befanden sich Adam Khan und sein Neffe und Schwiegersohn Muhammad Murad alias Murad Khan (Behrouz, S. 88ff, Ináyat Khán, S. 98). In Baltistan angekommen traf Adam Khan mit Imam Quli Khan, dem Herrscher von Shigar, zusammen, der mit seinen Truppen zur Unterstützung von Adam Khan von Shigar aus in Skardu einmarschiert war. Imam Quli Khan erhielt von Adam Khan die Erlaubnis, mit Mirza Khan Vermittlungsgespräche zu führen. Im Ergebnis gab Mirza Khan die Festung Kharphocho kampflos auf. Ihm wurde gestattet, sich unter Mitführung seines Besitzes an Gold und Silber nach Shigar zu begeben. Von hier aus kehrte er offenbar nach Kartaksho zurück.

Kurz nach seiner Amtsübernahme in Skardu begann Murad Khan, einen Angriff gegen Kartaksho (nach 1650/51und vor 1658) zu planen, um den ihm verhassten, in Kharmang residieren Mirza Khan abzusetzen. Zunächst fragte er in dieser Angelegenheit seinen Onkel Adam Khan um Rat, doch dieser wollte hierzu eine Entscheidung nicht fällen und verwies ihn an Imam Quli Khan, dem Herrscher von Shigar. Letzterer entschied nach Rücksprache mit seinen Ratgebern, die Pläne Murad Khans zu unterstützen und zog mit ihm gegen Kartaksho in den Krieg. Der Feldzug begann mit der Belagerung der Festung von Parkuta, die nach kurzer Zeit erobert wurde. Es gelang den Angreifern, Ali Khan, den Sohn von Mirza Khan, gefangen zu nehmen. Die Festung von Parkuta wurde zerstört

Beim weiteren Vorrücken gegen Kharmang erwies sich die dortige Festung als militärisch uneinnehmbar. Um die Burg aushungern zu können, ließen die Angreifer das gesamte Land Kartaksho plündern und konfiszierten alle Nahrungsvorräte und Haustiere, sowie Gold und Schmuck. Die Versorgung der Belagerer war damit sichergestellt und der belagerte Feind vom Nachschub abgeschnitten. Nach vier Monaten gab Mirza Khan auf und übergab seine Festung nach der Zusicherung von freiem Geleit an die Belagerer.

Mirza Khan ging nach dem Shigar Nāma nach Ladakh ins Exil. Tatsächlich aber kehrte er aber kurz danach nach Baltistan zurück und hielt sich in Khaplu auf. Als wenige Jahre später (nach 1650/51und vor 1658) Murad Khan auch Khaplu eroberte, ließ er Mirza Khan verhaften und nach Indien deportieren.

Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Alexander Cunningham: Ladák. Physical, statistical, and historical; with notices of the surrounding countries. New Delhi 1977 (reprint)
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Ináyat Khán: Sháh Jahán-náma. In: The History of India as Told by its Own Historians. The Muhammadan Period. The Posthumous Papers of the Late Sir H. H. Elliot. Edited and Continued by Professor John Dowson. Vol. VII. First Indian Edition. Allahabad 1964, S. 73-122

Autor: Dieter Schuh, 2010

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