Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Blick auf Saling von Südwesten aus photographiert. Das linke Gebäude gehört zu einer Fischzucht. Auf der Spitze des links sichtbaren Berges befinden sich die Überreste der Bergfestung von Saling (Oktober 2008) 

 Saling

Saling (Tibetisch: Sa-gling) ist eine kleine Ortschaft und Oase in Baltistan (Klein-Tibet) an der Mündung des Hushe-Flusses in den Shayok. Der Ort gehört heute zum Gangche-Distrikt von Baltistan. Saling liegt am rechten Ufer des Shayok nordöstlich der Oase und Ortschaft Khaplu, von wo aus die Oase von Saling direkt einsehbar ist. Von der Burg von Saling aus wurde das Tal des Hushe-Flusses beherrscht und nach Westen militärisch abgesichert. Außer in einer kurzen Periode der Selbstständigkeit nach der Teilung des Königreiches Khaplu im Jahre 1674 gehörten Saling und seine Burg im 17. und 18. Jahrhundert zum Herrschaftsgebiet von Khaplu. Saling erreicht man über eine mit dem PKW befahrbare Brücke, die östlich von Khaplu den Shayok überspannt und die Khaplu mit dem Hushe-Tal verbindet. In Saling befinden sich zahlreiche Felsbilder, die aus der Zeit stammen, in der in diesem Gebiet der tibetische Buddhismus vorherrschend war.

Abbildung 2: Lage von Saling (rechte Kartenhälfte) an der Mündung  des Hushe-Flusses in den Shayok.  Ausschnitt aus "India and Pakistan" (Jammu and Kashmir) Ni-43-03. 1:250.000. Mundik

 Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeines
2. Zur Geschichte von Saling und seiner Bergfestung
3. Felsbilder von Saling
4. Khanqa Gebetshalle, alte Moschee und Astana-Grabbauten
5. Literatur

Abbildung 3: Brücke über den Shayok, die von der Straße nach Khaplu (rechts) ins Hushe-Tal führt (Oktober 2007)

 1. Allgemeines

Da Saling außerhalb der gewöhnlichen Reiseroute zwischen Khaplu und dem Westen Baltistans liegt, wurde der Ort in der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts trotz seiner großen historischen Bedeutung nicht erwähnt. Die erste Erwähnung verdanken wir Francke in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1926, die im Zusammenhang mit der Interpretation einer historischen Quelle (S.231) die Bergfestung Sa-gling mkhar aufführt und Sa-gling auf seiner Karte von Baltistan (S. 240) verzeichnet. Des Weiteren wird Saling danach mehrmals in den historischen Werken von Hashmatullah Khan, Afridi und Petech aufgeführt.

Abbildung 4: Saling (Oktober 2007)

 Nach der Volkszählung von 1951 hatte Saling damals 327 Einwohner (Afridi (Siling), S. 275). 1961 zählte man 371 Bewohner. Wie die meisten Dörfer Baltistans ist Saling durch eine landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Das Department of Agriculture der Northern Areas von Pakistan unterhält in Saling eine landwirtschaftliche Forschungsstation (Cereal and Horticultural Crops Research Station). Bemerkenswert ist eine Fischfarm, die am westlichen Ortsausgang von Saling unterhalb des Berges mit der Ruine der Bergfestung liegt und in der sich auch ein bescheidenes Restaurant mit einfachen Übernachtungsmöglichkeiten findet.

   

Abbildung 5: Die als "Gulzar Fishfarm" firmierende Fischzucht in Saling mit Restaurant und Übernachtungsmöglichkeit (Oktober 2007)

 

Abbildung 6: Haji Mushtag Hussain, der 67 jährige, überaus freundliche und hilfsbereite Direktor der Gulzar Fishfarm von Saling (Oktober 2007)

 2. Zur Geschichte von Saling und seiner Bergfestung

Siehe auch den Hauptartikel Wohnburgen und Bergfestungen (Khar) in Baltistan (Klein-Tibet)

Saling gehörte viele Jahrhunderte lang zum Herrschaftsgebiet von Khaplu. Die Geschichte Khaplus war wie die der anderen Kleinstaaten Baltistan im 17. und 18. Jahrhundert dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen Herrschaftsgebiete sich wechselseitig zu erobern versuchten und intern durch Erbfolgestreitigkeiten gleichsam Bürgerkriege anzettelten, wobei die unterlegene Partei häufig die Hilfe von den anderen Kleinstaaten anforderte.

Grundlage der folgenden Darlegungen ist das Geschichtswerk Shigar Nāma. Als in der ersten Hälfte 17. Jahrhundert der Herrscher von Khaplu starb, hinterließ er zwei Söhne, nämlich Hussain Khan und Rahim Khan. Von diesen war Hussain Khan mit der Schwester von Sher Khan und Murad Khan aus Skardu verheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, nämlich Babur und Yakub. Als Rahim Khan nach dem Tod von Hussain Khan die Herrschaft in Khaplu übernahm, bedrängte er die Schwester von Murad Khan so sehr, dass diese mit ihren beiden Söhnen nach Ladakh ins Exil gehen musste (Behrouz, S. 115). Einige Jahre nach 1650/51 wurde Khaplu durch Murad Khan erobert, wobei letzterer bei der Übergabe der Bergfestung Tortsi Khar durch Rahim Khan diesem freies Geleit zusicherte. Entgegen seiner Zusicherung liessen Murad Khan und sein Bruder Sher Khan den Khaplu-Herrscher Rahim Khan ermorden. Murad Khan setzte die Söhne seiner Schwester, also Babur und Yakub, als Herrscher von Khaplu und Haldi ein. Mit Haldi ist das Gebiet des nordöstlich von Saling gelegenen Hushe-Tales gemeint, das vermutlich Saling einschloss. Wie es in Baltistan nicht unüblich war, verdrängte Babur nach kurzer Zeit seinen Bruder Yakub und übernahm die Alleinherrschaft in Khaplu.

   

Abbildung 7: Standort der Bergfestung von Saling von Khaplu aus photographiert. Im Vordergrund der Shayok, dahinter das zu Saling gehörende Flussufer, an das sich rechts die oben erwähnte Fischfarm anschließt. In der Bildmitte der Felsen, auf dessen Spitze sich heute die Reste der Burg von Saling befinden  (Oktober 2008)

 

Abbildung 8: Felsgrad des in Abbildung 7 gezeigten Felsens, auf dem sich die Trümmer der Burg von Saling befinden. Von Khaplu aus mit dem Teleobjektiv photographiert (Oktober 2008)

1674 griffen ladakhische Truppen in die Auseinandersetzung zwischen Sher Khan von Skardu und Imam Quli Khan von Shigar ein und eroberten Khaplu (Francke, S. 114). Dabei wurde das Herrschaftsgebiet von Khaplu und Chorbat zwischen Hatam Khan, Sultan Khan und Ali Khan aufgeteilt. Von diesen stand Hatam Khan als Sohn des ermordeten Rahim Khan zunächst naturgemäß auf der Seite des Shigar Herrschers, wechselte dann aber auf Zureden von Yakub auf die Seite von Sher Khan.

Wir wissen nicht, wer genau die Herrscher Sultan Khan und Ali Khan waren. Jedenfalls stellt sich die Situation wenige Jahre nach 1674 so dar, dass Yakub nach dem Tod seines Bruders Babur in Khaplu regierte und Hatam Khan über das Hushe-Tal mit Saling und Haldi herrschte und nominell das Oberhaupt des gesamten Königreiches Khaplu war (Behrouz; S. 178). Beide griffen anschließend die westlich von Saling gelegene Festung von Karku an und eroberten sie.

Die Allianz zwischen Yakub und Hatam Khan währte nur kurze Zeit. Yakub nahm die Verbindung mit den Ungläubigen aus Ladakh zum Anlass, gegen Hatam Khan in den Krieg zu ziehen. Er eroberte zunächst die Festung von Saling und rückte dann gegen Haldi vor. Hier aber erlitt er letztendlich eine Niederlage und musste sich nach Khaplu zurückziehen (Behrouz, S. 206f). Hiernach erneuerte Hatam Khan sein Bündnis mit Imam Quli Khan von Shigar.

Abbildung 9: Gebäudereste der Bergfestung von Saling (Oktober 2008)

Wir wissen nicht, was mit Yakub in den Folgejahren passierte. Aus ladakhischen Urkunden können wir aber entnehmen, dass Hatam Khan im Jahre 1716/17 in Khaplu regierte. Nun war er den Anfeindungen seines Sohnes Dabla Khan ausgesetzt. Bei den darauffolgenden Auseinandersetzungen rückte die Bergfestung von Saling in den Brennpunkt des Geschehens. Dabla Khan hatte Truppen aus Shigar und Skardu gegen seinen Vater zu Hilfe gerufen und sich in der Burg von Saling verschanzt. Eine Heer aus Ladakh unter gung-blon Sönam Lhündrub (bSod-nams lhun-grub) schlug die Truppen aus Shigar und Skardu zurück, belagerte anschließend die Festung von Saling und nahm sie mit Kanonen unter Beschuss. Danach musste Dabla Khan aufgeben, die Festung von Saling verlassen und sich wieder seinem Vater unterstellen. Von diesem wissen wir, dass er noch im Jahre 1722 regierte. Erst danach trat sein Sohn Dabla Khan als sein Nachfolger und als Herrscher von Khaplu in Erscheinung.

Der im Jahre 1723 von dem ladakhischen Heerführer Tshülthrim Dorje (Tshul-khrims rdo-rje) als Herrscher (jo) von Skardu eingesetzte Zafar Khan unternahm 1733 einen Feldzug gegen Khaplu und besetzte die Bergfestungen von Saling und Tsheno. Der letztgenannte Ort liegt im Saltoro-Tal. Eine unter dem Feldherrn Gyatsho (rGya-mtsho) in diesen Konflikt eingreifende ladakhische Truppe eroberte beide Burgen zurück.

In den folgenden einhundert Jahren nach 1734 verlagerte sich bei den Kriegen in Baltistan das militärische Geschehen mehr nach Westen in den Herrschaftsbereich von Kiris, so dass Saling in den Berichten über diese Kriege nicht mehr erwähnt wird. Es ist aber davon auszugehen, dass die Bergfestung von Saling erst nach 1840 zerstört wurde.

3. Felsbilder von Saling

Siehe auch den Hauptartikel Altertümer von Baltistan

Oberhalb des Geländes der Fischzucht von Saling steht auf einem kleinen Felsplateau der Rohbau eines im Bau befindlichen kleinen Gebäudes. Rechts daneben befindet sich unterhalb eines Geröllfeldes großer Felsbrocken eine alte zerfallene Moschee. Neben der Moschee wurde ein modernes Wasserreservoir zur Trinkwasserversorgung von Saling erbaut. Des Weiteren kann man unweit der Moschee Fundamente zerfallener Gebäude besichtigen, über deren Funktion und Geschichte nichts bekannt ist.

   

  Abbildung 10: Neues Gebäude oberhalb der Fischfarm (unten rechts) von Saling (Oktober 2008)

 

Abbildung 11: Das neue Gebäude oberhalb der Fischfarm von Saling mit der zerfallenen Moschee (oben rechts) und dem links darüberliegenden Geröllfeld mit den buddhistischen Felsbildern (Oktober 2007)

Abbildung 12: Zerfallene Moschee in dem Bereich einer ehemals buddhistisch geprägten Örltlichkeit (Oktober 2007). Im Vordergrund das neue Trinkwasserreservoir

 

   

 Abbildung 13: Gebäudereste im Bereich der buddhistischen Felsbilder oberhalb von Saling (Oktober 2007)

 

 Abbildung 14: Mauerreste am Standort buddhistischer Felsbilder. Befand sich hier einstmals ein buddhistisches Kloster, an dessen Stelle nach seiner Zerstörung eine Moschee errichtet wurde? (Oktober 2007)

Die Felsbrocken oberhalb der Moschee tragen buddhistische Felsbilder, wobei insbesondere die Darstellungen von buddhistischen Stūpas augenfällig sind. Mein Begleiter aus der Fischfarm machte mich auf einen in einer Felsnische befindlichen dunklen Stein aufmerksam, der das Portrait eines bärtigen Mannes zeigt. Leider war die Oberfläche dieses Steins teilweise mit einer dünnen Lehmschicht überzogen, so dass weitere Details dieses Felsbildes nicht auszumachen waren.

      

Abbildung 15: Buddhistischer Stūpa von Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 16: Buddhistischer Stūpa von Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 17: Buddhistischer Stūpa von Saling (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 18: Felsbild von Saling mit der Abbildung eines bärtigen Mannes (Oktober 2007)

 

Abbildung 19: Detail des Felsbildes von Saling mit der Abbildung eines bärtigen Mannes (Oktober 2007)

 Weitere Felsbilder finden sich im Bereich der Bergfestung von Saling. Eines dieser Bilder, welches vier Stūpas in zwei untereinander angeordneten Reihen zeigt, hat eine tibetische Aufschrift mit dem Text chos ched la "zum Zwecke des (buddhistischen) Gesetzes (Dharma)".

   

Abbildung 20: Felsbild mit buddhistischen Stūpas im Bereich der Bergfestung von Saling (Oktober 2008)

 

Abbildung 21: Felsbild mit buddhistischen Stūpas im Bereich der Bergfestung von Saling (Oktober 2008)

 4. Khanqa Gebetshalle, alte Moschee und Astana-Grabbauten

Siehe auch die Hauptartikel Islamische Khanqa-Gebetshallen in Baltistan (Klein-TibetI), Astana-Grabmonumente in Baltistan (Klein-Tibet) und Traditionelle Moscheen (Masjid) in Baltistan (Klein-Tibet)

Im Oktober 2007 waren bei meinem Besuch die Bauarbeiten an der großen Khanqa-Gebetshalle noch nicht vollständig abgeschlossen. Mir ist nicht bekannt, ob es sich um einen Umbau oder einen völligen Neubau handelte. In jedem Fall wurde die Veranda völlig erneuert und, wie die Fensterformen im oberen Bereich der Eingangsseite zeigen, auch in Struktur eines eventuell nur umgebauten Altbaus erheblich eingegriffen.

Abbildung 22: Die neue Khanqa-Gebetshalle von Saling (Oktober 2007)

 Unweit der Khanqa-Gebetshalle stößt man im alten Ortskern auf eine alte Moschee und ein Areal zerfallener Astana-Grabmonumente.

Abbildung 23: Moschee im alten Ortskern von Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 24: Innenraum der alten Moschee von Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 25: Reste von Astana-Grabbauten unweit der Khanqa-Gebetshalle von Saling (Oktober 2007)

 5. Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Khosrow Behrouz: Shigar Nâma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Luciano Petech: The Kingdom of Ladakh, C. 950-1842 A.D. Roma 1977
Dieter Schuh: Herrscherurkunden und Privaturkunden aus Westtibet (Ladakh), Halle 2008 (= Monumenta Tibetica Historica, Abteilung III. Diplomata, Epistolae et Leges, Band 11)
Dieter Schuh: Die Herrscher von Baltistan (Klein-Tibet) im Spiegel von Herrscherurkunden aus Ladakh. In: Chomolangma, Demawend und Kasbek. Festschrift für Roland Bielmeier zu seinem 65. Geburtstag. Band 1: Chomolangma, Halle 2008, S. 165-225

Autor Dieter Schuh, 2010, ergänzt 2012. Landkartennachweis: Ausschnitt aus "India and Pakistan" (Jammu and Kashmir) Ni-43-03. 1:250.000. Mundik. Alle anderen Abbildungen von Dieter Schuh.

Für wissenschaftliche Zitationen benutzen Sie bitte nur die gedruckte Ausgabe/For scientific quotation please use the printed edition only.